Ein schlecht gehütetes Geheimnis

Berlin. Es ist einen Monat her, da bekannte sich Heidemarie Wieczorek-Zeul schuldig der Mitwirkung an Waffengeschäften: "Ich habe elf Jahre dem Bundessicherheitsrat angehört", sagte die ehemalige Entwicklungshilfeministerin bei der Debatte über Rüstungsexporte im Bundestag. Über dessen Entscheidungen dürfe sie aber nicht reden, also auch nicht über ihre eigenen

 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 sollen angeblich demnächst im Wüstensand von Saudi-Arabien rollen. Foto: dpa

Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 sollen angeblich demnächst im Wüstensand von Saudi-Arabien rollen. Foto: dpa

Berlin. Es ist einen Monat her, da bekannte sich Heidemarie Wieczorek-Zeul schuldig der Mitwirkung an Waffengeschäften: "Ich habe elf Jahre dem Bundessicherheitsrat angehört", sagte die ehemalige Entwicklungshilfeministerin bei der Debatte über Rüstungsexporte im Bundestag. Über dessen Entscheidungen dürfe sie aber nicht reden, also auch nicht über ihre eigenen. Und genau diese Geheimniskrämerei müsse geändert werden, meinte die SPD-Politikerin. "Es hilft nur parlamentarische Offenheit."Einen entsprechenden Antrag der SPD zur Reform der Genehmigungsverfahren lehnte die Koalitionsmehrheit damals noch ab. Doch nun ist die Debatte unversehens neu entflammt, nachdem bekannt wurde, dass der Bundessicherheitsrat beschlossen haben soll, Saudi-Arabien 200 Leopard-Panzer zu liefern.

Ob diese Nachricht überhaupt stimmt, weiß man freilich nicht, denn die Beratungen des Bundessicherheitsrates, eines neunköpfigen Ministergremiums unter Vorsitz von Kanzlerin Angela Merkel, sind grundsätzlich geheim. Entscheidungen, die anders als im Kabinett durchaus mehrheitlich getroffen werden können, werden der Öffentlichkeit nie mitgeteilt, nur den Waffenschmieden, die ihre Produkte verkaufen wollen. Erst recht geheim ist natürlich die Tagesordnung, die eine "Gruppe 22" im Kanzleramt vorbereitet. Am Montag beispielsweise sagte eine ganze Riege von Regierungssprechern eine halbe Stunde lang zu den Saudi-Panzern stets nur: "Dazu können wir nicht Stellung nehmen." Dass sie den Deal nicht dementierten, war allerdings genug Bestätigung.

In der Regel erfährt die Nation erst ein Jahr später im "Rüstungsexportbericht", wohin Deutschland welches Militärmaterial geliefert hat. 2009 war "Made in Germany" weltweit der dritthäufigste Eintrag auf exportierten Waffen; Ausfuhren im Wert von 5,04 Milliarden Euro waren zuvor genehmigt worden, darunter damals schon 168 Millionen für die Saudis. Dass dieser Bericht künftig öfter, nämlich alle drei oder sechs Monate erstellt wird, gehört ebenso zu den Forderungen der SPD wie die Idee, zusätzlich den Auswärtigen Ausschuss mit den Lieferentscheidungen zu befassen. Ganz ähnlich wie es in Großbritannien oder Schweden praktiziert wird.

Doch Union und FDP beharren auf der jetzigen Regelung, die einst von Kanzler Konrad Adenauer eingeführt und 1998 selbst von Rot-Grün nicht geändert wurde. "Es gibt gute Gründe dafür, dass die Genehmigung von Rüstungsexporten reines Regierungshandeln ist und bleiben muss", sagte Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff auf Anfrage. "Es handelt sich um sehr sensible Fragen, die man nicht öffentlich erörtern kann." Schockenhoff meinte damit unter anderem die schützenswerten Belange deutscher Wirtschaftsunternehmen, darunter Informationen über deren Aufträge und Abschlüsse. "Allerdings muss klar sein, dass die Regierung ihre Beschlüsse nach den Werten unserer Grundordnung und nach Absprache mit unseren Verbündeten und Partnern trifft."

Genau daran hat die Opposition zunehmend ihre Zweifel. Weil die Bundeswehr sparen müsse und weniger bestelle, wachse der Druck der Rüstungsindustrie, lockerer mit den Genehmigungen umzugehen, so die Vermutung Wieczorek-Zeuls. So spreche die Regierung neuerdings nicht mehr von einer "restriktiven" Genehmigungspraxis, wie sie in den offiziell immer noch geltenden rot-grünen Exportrichtlinien von 2000 formuliert ist. Die Abgeordnete verwies gegenüber der SZ auf die umfangreichen Waffenlieferungen, die es in den letzten Jahren auch an die Despoten Nordafrikas gab und schlussfolgerte: "Das einzige Instrument, das wirkt, ist die Beteiligung der Öffentlichkeit und des Bundestages." In der konkreten Sache Saudi-Arabien freilich ist sogar in den Koalitionsreihen das Unbehagen spürbar. Schockenhoff etwa betonte, dass das erste Kriterium die Sicherheit Israels sein müsse. Man dürfe nichts in diese Region liefern, was dessen Sicherheitsinteresse schmälere. Außerdem beobachte er, so der CDU-Politiker, die innere Entwicklung Saudi-Arabiens mit großer Sorge, ebenso das Eingreifen der Saudis bei der Niederschlagung des Volksaufstandes in Bahrain. "Wir gehen davon aus, dass eine Entscheidung zu Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien sehr sorgfältig abgewogen ist und an klare Bedingungen geknüpft wird." Ähnlich äußerte sich die CSU-Landesgruppenchefin Gerade Hasselfeldt, die von einem "sehr sensiblen Thema" sprach, das man sich genau anschauen müsse. Ob die Regierung ihren Mahnungen gefolgt ist, können aber auch die Koalitionsabgeordneten nach geltendem Recht erst im nächsten Jahr erfahren - wenn die Panzer längst verschifft sind. "Es hilft nur parlamentarische Offenheit."

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)

Meinung

Logisch, aber

fragwürdig

Von SZ-RedakteurUlrich Brenner

Da hat die Bundesregierung Recht: Wenn Entscheidungen über Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter auf dem offenen Markt ausgetragen würden, dürfte sich manches Land lieber für andere, verschwiegenere Lieferanten für Panzer und Kanonen entscheiden. Insofern macht die geltende Regelung mit der diskreten Rolle des Bundessicherheitsrats Sinn. Aber nur dann, wenn man der Logik folgt, die Deutschland zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt gemacht hat: dass der Export militärischen Geräts mit Rücksicht auf deutsche Jobs und die Beschaffungskosten der Bundeswehr politisch gewünscht ist - trotz aller moralischer Grauzonen. Diese Grundsatzdebatte muss Deutschland ehrlich führen.

Hintergrund

Das Bundeswirtschaftsministerium richtet sich bei der Genehmigung von Rüstungsexporten nach den "Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen" aus dem Jahr 2000. "Lieferungen an Länder, die sich in bewaffneten äußeren Konflikten befinden oder bei denen eine Gefahr für den Ausbruch solcher Konflikte besteht, scheiden (. . .) grundsätzlich aus", heißt es. Auch bei dem "hinreichenden Verdacht", dass deutsche Waffen zur Unterdrückung der Bevölkerung oder "sonstigen fortdauernden (. . .) Menschenrechtsverletzungen" im Empfängerland missbraucht werden, gibt es grundsätzlich keine Exportgenehmigung. Die Entscheidung über Exportgenehmigungen fällt der Bundessicherheitsrat. Diesem geheim tagenden Kabinettsausschuss gehören Kanzlerin, Vizekanzler, Chef des Kanzleramts und die Minister für Auswärtiges, Finanzen, Inneres und Justiz an. dpa

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