Ein saftiger Denkzettel für Barack Obama

Der künftige Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner John A. Boehner, weiß, wem er zu danken hat. Via Internet ging der erste Anruf des Wahlabends an die rechtspopulistischen Tea-Party-Aktivisten seines Wahlbezirks im Südosten Ohios. "Ich werde Euch niemals hängen lassen", gelobte der nun drittmächtigste Mann in den USA

Der künftige Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner John A. Boehner, weiß, wem er zu danken hat. Via Internet ging der erste Anruf des Wahlabends an die rechtspopulistischen Tea-Party-Aktivisten seines Wahlbezirks im Südosten Ohios. "Ich werde Euch niemals hängen lassen", gelobte der nun drittmächtigste Mann in den USA. Die Tränen schossen ihm auch später in die Augen, als er vor die Kameras der Nation trat. Wie ein Schlosshund heulte er über den unerwarteten Zugewinn der Republikaner von mindestens 60 Sitzen im Repräsentantenhaus. Später am Abend gratulierte dann US-Präsident Barack Obama, der sich nun die Macht mit den erstarkten Republikanern teilen muss. Er freue sich darauf, "mit ihm und den Republikanern Gemeinsamkeiten zu finden, das Land nach vorne zu bringen und etwas für das amerikanische Volk zu bewegen".

Diese Botschaft wollte Obama auch bei der Pressekonferenz gestern Nachmittag an die Wähler übermitteln, die dem Präsidenten einen saftigen Denkzettel verpasst hatten. "Republikaner und Demokraten müssen ernsthafte Gespräche führen", sagte Obama. Beide Seiten müssten das Parteiengezänk der Vergangenheit hinter sich lassen. Es gebe viele Gebiete, wo Zusammenarbeit möglich sei. Wichtigste Aufgabe sei es jetzt, die Wirtschaft in Fahrt zu bringen und Jobs zu schaffen. Obama signalisierte auch Bereitschaft zu Kompromissen bei der umstrittenen Gesundheitsreform. Wenn die Republikaner Ideen für Änderungen hätten, etwa zur geringeren Belastung von kleineren und mittleren Betrieben, könne man dies in Betracht ziehen.

Der Appell des Präsidenten und die Anrufe bei den Tea-Party-Aktivisten seiner Partei beschreiben die Spannung, in der sich der designierte Sprecher Boehner wiederfindet, wenn er am 3. Januar die Führung im Repräsentantenhaus übernimmt. "Nein zu sagen, wird nicht mehr genug sein", schallt ihm von der anderen Seite des Kongresses entgegen, wo Senatsführer Harry Reid in dem spannendsten Rennen des Wahljahres einen überraschend deutlichen Sieg gegen Sharron Angle, einen Liebling der Rechtspopulisten, errungen hat.

Insgesamt gelang es den Demokraten, die Verluste in der anderen Kammer des US-Kongresses deutlich in Grenzen zu halten - und das auch dank der Tea-Party-Kandidaten. Denn Bewerber wie Christine O'Donnell in Delaware, John Raese in West Virginia oder Joe Miller in Alaska erwiesen sich als zu radikal. Selbst wenn die drei noch ausstehenden Auszählungen in Colorado, Washington State und Alaska republikanische Sieger sähen, kämen die Demokraten im Senat auf 51 von 100 Sitzen.

Unabhängige Analytiker warnen davor, den Rechtsruck im Kongress als grundlegende Neuordnung der politischen Landschaft zu begreifen. Die Nachwahlumfragen sprechen eine deutliche Sprache. 90 Prozent der Wähler bezeichneten die Lage der Wirtschaft als vordringlichstes Problem. "Der Frust über die mangelnden Fortschritte ist eine Erfahrung, die alle Wähler teilen und die erklären, was die republikanische Welle möglich machte", erklärt Andrew Kohut vom Meinungsforschungs-Institut PEW. 80 Prozent aller Befragten äußerten den Wunsch, dass die Republikaner mit Präsident Obama zusammenarbeiten.

Der künftige Sprecher Boehner findet sich damit in einer Zwickmühle wieder. Entweder wird er wortbrüchig gegenüber der hoch motivierten Tea-Party-Basis, oder es drohen zwei Jahre Stillstand und Grabenkriege, die alles in den Schatten stellen dürften, was Washington bisher erlebt hat. Nicht wenige Beobachter fürchten daher, dass die Sehnsucht der Wähler nach echten Veränderungen auch dieses Mal nicht respektiert wird. Dann könnte das Pendel nach 2006, 2008 und 2010 ein viertes Mal in Folge zurückschwingen.

Hintergrund

Der Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Beziehungen, Hans-Ulrich Klose (SPD), hält trotz der jüngsten Wahlniederlage eine zweite Amtsperiode von US-Präsident Barack Obama für möglich. "Voraussetzung ist allerdings, dass es Obama gelingt, die wirtschaftliche Wende zu schaffen", sagte er der Saarbrücker Zeitung. "Wenn die Arbeitslosenzahlen zurückgehen und die Ängste der Amerikaner verfliegen, dann hat Obama 2012 gute Chancen für eine zweite Amtsperiode." Auf das Verhältnis zwischen Berlin und Washington hat der Wahlausgang nach Kloses Einschätzung keinen Einfluss. "Höchstwahrscheinlich wird sich die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit in den nächsten zwei Jahren noch intensivieren". vet

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