Ein Rock'n'Roller auf Abschiedstour?

Peer Steinbrück tigert herum. Immer im Kreis, stets die Bürger im Visier.

In der Mitte der roten und runden Wahlkampf-Bühne in München. "Klartext-Open-Air", lautet das Format. "Ein falsches Wort, und das geht ab hier wie Schmidts Katze", sagt er - eine Anspielung auf die Medienvertreter, die immer nur auf Pannen lauerten. Ob in Detmold, Würzburg, Hamburg oder Essen: Landauf, landab stellt sich der SPD-Kanzlerkandidat den Fragen, bis zu 5000 Bürger sitzen oder stehen um seine Rundbühne herum. Am Ende müht er sich vergebens.

Steinbrücks Sozialdemokraten konnten Angela Merkels Union nicht vom Thron der Wählergunst stoßen. Die SPD machte zwar Boden gut, gerade zu 2009, also ihrem schlechtesten Ergebnis der Nachkriegszeit. Etwa 26 Prozent der Stimmen sind es nach ersten Prognosen für die Partei. Festlegen, was das für die SPD bedeutet, wollte sich Steinbrück angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse am frühen Abend nicht. "Die Lage ist sehr unklar. Deshalb wird die SPD gut daran tun, heute keinen Spekulationen darüber nachzugeben, wie denn eine Regierungsbildung aussehen könnte." Der Ball läge nun im Spielfeld von Merkel.

Da reichte es auch nicht, dass der SPD-Kanzlerkandidat seit dem für ihn positiven TV-Duell gegen Merkel im Wahlkampf-Modus angekommen war. Seine persönlichen Werte legten zu, die Botschaften kamen langsam an. 17,6 Millionen Fernsehzuschauer konnten sich im TV-Duell überzeugen, dass einige Zuschreibungen so gar nicht auf ihn passten. Sein ganz eigener - oft nicht von allen verstandener - ironischer Stil zeigte sich dann im "Stinkefinger"-Foto im "SZ-Magazin". Als Antwort auf die Frage nach Medien-Schöpfungen wie "Pannen-Peer, Problem-Peer und Peerlusconi". Vielen in der SPD sprach er mit diesem "Klartext" aus der Seele. Doch da war die rot-grüne Wunschkoalition als mögliche Regierungsalternative schon in weite Ferne gerückt. Denn: Als die SPD nicht mehr schwächelte, verspielten die Grünen mit Veggie-Day und Pädophilie-Debatte wichtige Stimmen. Sie verschlechterte sich nach ersten Prognosen auf etwa acht Prozent.

Steinbrück dürfte am Ende zumindest ein ordentlicher Wahlkampf attestiert werden - mit einer Kampagne, in der die SPD ein Bild von einem Land mit schwerer sozialer Schieflage zeichnete. Steinbrück sollte so ursprünglich in der Mitte Wähler gewinnen. Nun führte er einen linken Gerechtigkeitswahlkampf um Mindestlöhne, Mietpreisbremse und höhere Steuern für Reiche. Er wollte Stillstand und Kreisverkehr beenden, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft verhindern, die Bürger fordern statt einlullen. Seine Taktik war einfach und doch so schwer: Merkel inhaltlich zu stellen. Zur Hypothek wurde zudem der verstolperte Start. Als einfacher Abgeordneter hatte er keinen großen Apparat zur Verfügung, es fehlte eine sinnvolle Kommunikationsstrategie für die Debatte um Nebeneinkünfte in Millionenhöhe. Es entstand ein Negativ-Image, das seine Kampagne lange belastete. Dabei gibt es an der fachlichen Eignung des Vaters von zwei Töchtern und einem Sohn wenig Zweifel. Der studierte Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften ist seit 1969 in der SPD, war Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und wurde nach der Wahlniederlage 2005 in der großen Koalition ein geachteter Bundesfinanzminister. Nochmal wollte er Kanzlerin Merkel nicht dienen. "Sekt oder Selters", lautet seine Devise. Und: "Bei mir rockt es." Nur: Wie lange noch?

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