Ein Prozess, der viel Staub aufwirbelt

Man hätte gewarnt sein können: Schon zu Beginn des Prozesses gegen den inzwischen verstorbenen Kriegsverbrecher John Demjanjuk im November 2009 zeigte sich, wie wenig die Münchener Justiz für Großprozesse mit internationaler Dimension gerüstet ist

 Der Gerichtsvorsitzende Manfred Götzl wies den Wunsch türkischer Diplomaten auf einen Sitzplatz im NSU-Mordprozess ab. Foto: dpa

Der Gerichtsvorsitzende Manfred Götzl wies den Wunsch türkischer Diplomaten auf einen Sitzplatz im NSU-Mordprozess ab. Foto: dpa

Man hätte gewarnt sein können: Schon zu Beginn des Prozesses gegen den inzwischen verstorbenen Kriegsverbrecher John Demjanjuk im November 2009 zeigte sich, wie wenig die Münchener Justiz für Großprozesse mit internationaler Dimension gerüstet ist. Auf den Ansturm von Beobachtern und Medienvertretern aus aller Welt war man offenkundig nicht vorbereitet: Stundenlanges Warten und ein verzögerter Prozessbeginn waren die Folge.

Wenn am 17. April der Mammutprozess gegen die Rechtsterroristin Beate Zschäpe und Helfershelfer beginnt, könnte der Ärger noch weit größer werden. Denn schon Monate vor dem Beginn der Hauptverhandlung vor dem Staatsschutzsenat vor dem Oberlandesgericht (OLG) München steht fest, dass der Sitzungssaal 101 im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße viel zu klein ist und auch keine Alternative mehr gefunden werden kann. Es drohen internationale Verwicklungen, weil vor allem ausländische Medien ausgesperrt bleiben könnten.

Der Präsident des OLG München Karl Huber ist schon geraume Zeit damit beschäftigt, zu erklären, warum alles nicht möglich ist, was die Situation entspannen könnte. Es sei "völlig ausgeschlossen", Hotelsäle, Kongresshallen oder Konzertsäle über viele Monate hinweg für den Prozess zu belegen. Außerdem könnte eine Verlegung einer Verhandlung aus den Gebäuden der Justiz heraus ein Revisionsgrund sein, hatte Huber erklärt. Ton- und Bildübertragungen in andere Räume würden dem OLG-Präsidenten nach eigenen Worten "gut gefallen", könnten jedoch "aus Rechtsgründen" ebenfalls nicht verwirklicht werden.

Das Gerangel um die insgesamt 230 Plätze des Schwurgerichtssaals wird also immer größer. Von dem von der OLG-Pressestelle im März gestartete förmliche Akkreditierungsverfahren für die Medien hat man im Ausland kaum etwas mitbekommen. Jetzt ist die Frist vorbei und auf einen der sicheren Presseplätze können sich in der Regel nur deutsche Medienvertreter verlassen. Obwohl acht der zehn NSU-Mordopfer türkischstämmig waren, haben die türkischen Medien nur "Nachrückerplätze" erhalten: Sie können nur in den Saal, wenn von den fest akkreditierten Journalisten Plätze nicht besetzt oder sich noch Platz auf der Tribüne für die normalen Zuhörer finden sollte.

Das Verfahren ist juristisch nicht zu beanstanden, wirbelt aber politisch Staub auf. Am Dienstag beschwerte sich die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer des NSU-Terrors Barbara John über den Ausschluss sämtlicher acht türkischer Medien, die bei dem Prozess dabei sein wollten. Sie gehe davon aus, dass man daran noch etwas ändern werde, sagte John.

Doch da kennt sie die Münchener Justiz schlecht. Am selben Tag bekräftigte die OLG-Pressestelle, dass am Akkreditierungsverfahren nicht mehr gerüttelt werde. Dessen Bedingungen seien "von Anfang an klar" sowie "allen Medien bekannt" gewesen. Diejenigen Medien, für die eine Sitzplatzreservierung nicht mehr möglich gewesen sei, könnten ja auf frei werdende Plätze hoffen. Als Alternative zur Vergabe der Sitzplätze nach Reihenfolge wäre auch ein Losentscheid rechtlich möglich gewesen, so eine Gerichtssprecherin. Das hätte dann aber noch mehr Probleme mit sich gebracht.

Das kann so nicht bleiben, kritisierte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands Michael Konken. Es gäbe einen "Riesenaufstand", wenn bei einem vergleichbaren Prozess in der Türkei keine deutschen Prozessbeobachter zugelassen würden.

Vor einigen Wochen schon hatte es einen diplomatischen Disput gegeben, weil auch der türkische Botschafter sowie der Menschenrechtsbeauftragte des türkischen Parlaments mit ihrem Wunsch nach festen Plätzen vom Gerichtsvorsitzenden Manfred Götzl abgewiesen wurden. Sie müssen sich wie alle anderen Besucher anstellen und hoffen, einen Platz auf der Zuhörerempore zu ergattern - womöglich zwischen rechtsextremistischen Sympathisanten, deren Anwesenheit befürchtet wird.

Meinung

Geräuschlos geht anders

Von SZ-Korrespondent

Hagen Strauß

Der Eindruck drängt sich auf, dass der Mitte April beginnende NSU-Prozess unter keinem guten Stern stehen wird. Zu sorg- und arglos scheint der zuständige Senat des Münchener Oberlandesgerichts mit der Vorbereitung des Verfahrens umzugehen.

Die in den letzten Tagen und Wochen aufgetretenen Probleme und Pannen hätten vermieden werden können. Erst wurde ein viel zu kleiner Saal ausgewählt, dann dem Botschafter Ankaras ein fester Platz verweigert und nun sollen türkische Journalisten außen vor bleiben. Das zeugt von wenig Fingerspitzengefühl, wenn man bedenkt, dass acht Menschen türkischer Abstammung von den Terroristen ermordet worden sind.

Die Unabhängigkeit der Justiz wäre durch mehr Sensibilität und mehr Geschick beileibe nicht gefährdet. Ein solches Jahrhundertverfahren muss möglichst geräuschlos vorbereitet werden. Gelungen ist das dem Senat bislang nicht.

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