Ein Pionier mit Sinn für Übersinnliches

Saarbrücken/Freisen · Zuerst brachte er ein Magazin für alternative Heilmethoden und Naturprodukte heraus. Aus dem Heft entwickelte der Westpfälzer Roland Häke die Messe „Grenzenlos“, eine Bühne für die schillerndsten Angebote. 5000 Besucher dürften auch nächste Woche wieder in die Saarbrücker Congresshalle kommen – auf der Suche nach Spiritualität, neuen Horizonten und Heilung.

 Messeveranstalter Roland Häke im Wald seiner saarländischen Wahlheimat Grügelborn bei St. Wendel. FOTO: B&K

Messeveranstalter Roland Häke im Wald seiner saarländischen Wahlheimat Grügelborn bei St. Wendel. FOTO: B&K

"Können Sie mal nachsehen, da nebenan stimmt die Aura nicht." So ein Anliegen ist nicht ungewöhnlich, wenn Organisator Roland Häke über 150 Aussteller und Referenten zu seiner "Grenzenlos"-Messe in Saarbrücken arrangiert. Wo Heiler, Schamaninnen, Bewusstseins-Entwickler auf engem Raum verkehren, Personen also, die sich ihrer medialen Begabungen gewiss sind, da gilt es nicht nur Streit um irdische Ärgernisse wie Zigarettenrauch zu befrieden. Auch sphärische Störfeuer wollen einfühlsam gelöscht werden. Dann ist Veranstalter Häke in seinem Element. Er eilt herbei und kriecht - wenn nötig - auch auf den Knien herum, besänftigt, vermittelt, gruppiert Interessen und Personen anders, bis alle zufrieden nicken.

Dem Chef geht halt nichts über Eintracht. Und manchmal bekommt er den Frieden ganz simpel hin. "Bei einer Messe im Taunus hatte ein keltischer Brauchtumsverein seinen Stand mit Rindenmulch ausgelegt. Nebenan war man überzeugt, das treibe die Leute aus dem Saal", erinnert sich der 61-Jährige schmunzelnd. "Ich habe dann große Schilder mit dem Hinweis beschriftet, dass es absichtlich nach Mulch duftet - und alle waren glücklich."

Roland Häke ist ein besonnener, bodenständiger Mann mit einem unspektakulären Lebensstil, mit Sinn für Humor, mit ausgeprägter Neugier - und mit einem Faible für Übersinnliches und Ganzheitliches, für natürliche Heilmethoden und Betrachtungsweisen auch außerhalb der Schulmedizin . Seine Uroma, Malchen genannt, war Homöopathin. Seine Frau Agnes, die er über seine Beschäftigung mit diesen Themen kennenlernte, hat sich einen Namen als Kartenlegerin und Geburtshoroskop-Deuterin gemacht. Fragt man Roland Häke nach seinem Alter, nennt er das Sternzeichen "Schütze" automatisch mit. Die meisten Menschen, mit denen er verkehre, wollten das wissen, erklärt der gebürtige Neunkircher, der in Breitenbach bei Kusel aufgewachsen ist. Im Zungenschlag ist das Westpfälzische nicht zu überhören.

Nach dem Abitur und einigen Semestern Betriebswirtschaft trat Häke in die kleine Baufirma seines Vaters ein, kümmerte sich ums Büro, bewahrte aber dank Lkw-Führerschein den Kontakt zu Baustellen und körperlicher Tätigkeit. Selbstständig machte er sich, nach der Auflösung der Firma, zunächst als Organisator von Seminaren (unter anderem für Feuerlaufen). Dann der Sprung in die Marktlücke: Er verlegte die Gratis-Illustrierte "Grenzenlos", Untertitel "Denken - Fühlen - Handeln", die in einer Auflage von bis zu 65 000 Exemplaren erschien. Aus dem bunten Magazin, einer Art Apotheken-Revue der alternativen Szene, entwickelte er dann die Themenmesse gleichen Namens.

Schon 15 Mal seit dem Jahr 1999 hat der Verleger, dessen kleine Firma seit kurzem im Eigenheim in der Wahlheimat Freisen-Grügelborn sitzt, eine Schau- und Verkaufsbühne bereitet für die verblüffendsten Angebote und Verlockungen. Er holte Familien-Aufstellerinnen und Reiki-Lehrer, Klangschalen-Therapeuten und Elektro smog-Vertreiber, Pendler und Pyramidenbauer, Aura-Fotografinnen und Designer von Energieschmuck an die Saar. Vieles, was in den Pionier-Jahren als exzentrisch galt, von Salzkristall-Lampen über Nahrungsergänzung mit Chlorella-Algen bis zur chinesischen Meditation, findet man heute im Angebot von Warenhäusern, Drogerien und Volkshochschulen.

Die Besucherzahlen der dreitägigen "Grenzenlos"-Messe stiegen von anfangs 1000 auf zuletzt 5000 an. Die Ausstellung, Schritt um Schritt aufgebaut, zählt heute zu den größeren ihrer Art in der Republik. Vor allem ein weibliches Publikum geht auf die Suche nach Inspiration, Wellness, Gesundheit, auch Linderung von Beschwerden und Heilung von Krankheiten. Zunehmend kommen auch Schulmediziner ohne Angst, sich vor ihresgleichen rechtfertigen zu müssen. Den harmoniebedürftigen Häke freut das, er ist glücklich, wenn von "Komplementärmedizin", also ergänzender Medizin die Rede ist und nicht mehr von "Alternativmedizin ".

Der Mediziner Rüdiger Dahlke ("Krankheit als Sprache der Seele"), der "Positiv-Denker" Erhard F. Freitag, der Coach Clemens Maria Mohr, der Naturwissenschaftler Henry Krotoschin ("Huna"-Lehre) und der niederländische Musiker Lex van Someren waren Gäste, die den Veranstalter bei ihren Auftritten in der Landeshauptstadt besonders beeindruckt haben - "weise Männer" nennt er sie.

Häke erinnert sich, wie ihn der fast blinde Krotoschin auf dem Beifahrersitz des Wagens einmal durch Zürich lotste: "Er hat die Straßen nicht gesehen, sondern gefühlt", versichert der 61-Jährige. Und dann war da noch Jürgen Höller, verurteilt wegen Untreue und vorsätzlichen Bankrotts. Häke gab dem in Ungnade gefallenen ehemaligen "Motivationsguru Nummer 1" eine Chance, engagierte ihn quasi aus einem Hafturlaub für Saarbrücken. "Beim Publikum kam er aber nicht so gut an wie gedacht", weiß er noch.

Roland Häke vermeidet es, Qualitätsurteile über Verheißungen der spirituellen Szene abzugeben. Er empfindet Unbehagen angesichts der Bemühungen von "Heiler-TÜVs", Angebote nach Scharlatanerie oder Erfolgsträchtigkeit zu klassifizieren. Nach seinem Urteil sind die Maßstäbe der Kritiker oft nicht weniger unspezifisch als die Offerten der Anbieter. Abgelehnt habe er mal die Scientology-Bewegung, aber "ich bin in aller Regel kein Zensus", sagt der Veranstalter. "Ich will ein guter Dienstleister sein und hoffe, dass alle Aussteller wiederkommen." Das gelinge am ehesten, wenn das Publikum mit ihnen zufrieden sei, bilanziert Häke. Auf den Punkt gebracht: Könner halten sich, und wer nichts drauf hat, wird vom Markt aussortiert.

Trotz der stetig positiven Entwicklung sieht Roland Häke die Saarbrücker "Grenzenlos"-Schau, anders als ihre jungen Schwestern in Hofheim am Taunus und Limburg an der Lahn, "auf der Kippe". Das liege vor allem am "randständigen" Image des Messe-Standorts. Kurioserweise sei der Anteil saarländischer Aussteller kontinuierlich von 50 auf 20 Prozent gesunken, und es werde immer aufwendiger, auswärtige Anbieter für das Saarland zu begeistern.

So könnte die inzwischen 16. "Grenzenlos" von Freitag bis Sonntag nächster Woche die vorerst letzte in der Landeshauptstadt sein. Der Tipp vom Chef für Neugierige? "Im Internet die Angebote studieren, alles ist ja transparent. Eine Vorauswahl treffen, mit offenem Herzen und wachen Sinnen hingehen" - und dann selbst entscheiden, wo vielleicht die Aura drin steckt, die man für sich selbst gebrauchen kann.

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Hintergrund In der Saarbrücker Congresshalle findet nächste Woche vom 21. bis 23. Oktober die 16. Grenzenlos-Messe "Spirit & Heilen" mit Vorträgen, Workshops, Konzerten und Mitmach-Aktionen statt. Los geht es freitags um 14 Uhr, samstags und sonntags um 10 Uhr. Eine Tageskarte kostet zehn, ermäßigt acht Euro. Für Kinder bis 14 ist der Eintritt frei. Teilweise kosten bestimmte Vorträge und Seminare extra. red

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