Ein Pakt der Solidarität

Brüssel · Ein bisschen Ukraine-Symbolik hier, etwas Kontensperren russischer Politiker da – und das war's. Nein, die EU-Strafpolitik gegen Moskau wirkt nicht hart. Das soll sie auch nicht. Denn Putin verprellen will niemand.

Die EU sitzt zwischen allen Stühlen. "Wir brauchen neue ehrgeizige Klimaschutz-Ziele für die Zeit bis 2030", stellte Kanzlerin Angela Merkel am Freitag in Brüssel klar. Doch da war das Gipfeltreffen mit den übrigen 27 Staats- und Regierungschefs in diesem Punkt bereits ergebnislos vorbei. Man verschob das Thema auf den Juni. Die Krim-Krise hatte nicht nur die Tagesordnung, sondern auch die bisherige Strategie einiger Mitgliedstaaten im Umgang mit ihrem Energiemix durcheinandergebracht.

Zu allem Überfluss überraschte Ukraines Regierungschef Arseni Jazenjuk unmittelbar nach der Unterzeichnung des EU-Abkommens seine neuen Freunde mit der Forderung nach Energielieferungen aus der Gemeinschaft. "Es ist wichtig, dass wir alle mit einer Stimme sprechen, damit wir niemandem erlauben - auch nicht Russland - Energie als neue Atomwaffe zu benutzen", erklärte Jazenjuk unter Anspielung auf eine Energierechnung aus Moskau, die sich auf zwei Milliarden Euro beläuft.

Dabei hat die EU eigentlich schon genug Probleme: Zum einen muss man nicht nur einige östliche und baltische Staaten aus der großen Abhängigkeit von russischem Gas und Öl befreien, sondern auch große Länder wie die Bundesrepublik. Zum anderen steht man unter Druck, aus Klimaschutz-Gründen umzusteuern und sich neue Ziele zu setzen. Die werden nicht zuletzt von Polen und anderen blockiert, in deren Energiehaushalt fossile Träger wie Kohle weiter eine große Rolle spielen.

Dennoch fordert die Bundesregierung zwischen 2020 und 2030 eine europäische Selbstverpflichtung, den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren und den Anteil erneuerbarer Energien auf 27 Prozent zu erhöhen. Für 2020 gilt eine Zielmarke von 20 Prozent. Trotz intensiver Bemühungen hatten bis zum Gipfel in Brüssel gerade mal 13 der 28 Mitgliedstaaten Zustimmung signalisiert. Das Kohle-Land Polen wäre nur bereit, 35 Prozent mitzutragen. London hat zwar nichts gegen eine Vorgabe von 40 Prozent, will diese aber mit Atomstrom erreichen dürfen und wird dabei von Frankreich unterstützt.

Doch im Schlussdokument dieses Gipfels sucht man feste Vorgaben vergebens. "Wir sind uns einig, dass wir neue Vereinbarungen brauchen", hieß es am Freitag in Brüssel. "Doch wir brauchen noch etwas mehr Zeit, denn wir müssen auch klären, wie die EU ihre Energieversorgung künftig sichert". Inzwischen wird offen über eine Neuausrichtung der Energie-Außenpolitik gesprochen, bei der man einen großen Bogen um Russland machen will. Zwar habe sich Moskau auch bei früheren Krisen als verlässlicher Geschäftspartner erwiesen, doch "jetzt ist einiges anders geworden".

Bei der Suche nach neuen Lieferanten soll es zugleich darum gehen, die Preise im Griff zu behalten. Denn die "dramatisch gestiegenen Kosten sind zu einer großen Belastung für Verbraucher und Unternehmen geworden", lautete die Erkenntnis des Gipfels. Die EU steht also vor einer gewaltigen Herausforderung: Sie braucht mehr sichere Energie, die auch sauberer und preiswerter sein muss - und das möglichst schnell.

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Auf einen BlickRusslands Präsident Wladimir Putin hat am Freitag mit einer letzten Unterschrift die Aufnahme der Krim in das russische Staatsgebiet besiegelt. Bei einer im Fernsehen übertragenen Zeremonie unterzeichnete er im Kreml das Gesetz zur Ratifizierung des Vertrags über die Eingliederung der Halbinsel. Danach gab es Applaus und die russische Hymne. Der einflussreiche Chef des ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz ist wegen Korruptionsverdachts festgenommen worden. Jewgen Bakulin soll unter dem gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch umgerechnet mindestens 2,9 Milliarden Euro veruntreut haben, teilte das Innenministerium in Kiew mit. SPD, Linke und Grüne wollen trotz ihrer Differenzen über die Krim-Krise die Option eines gemeinsamen Dreierbündnisses nicht aufgeben. "Wir werden 2017 darüber reden, was auf dem Tisch ist und was nicht", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der "taz". Ähnlich äußerten sich Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sowie Niels Annen von der SPD. dpa

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