Ein paar Coups mit Risiken und Nebenwirkungen
Berlin · Das Rätselraten um die Unionsminister hat ein Ende: Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer präsentieren ihr Personaltableau. Dabei haben sie einige Überraschungen parat – Risiken und Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen.
Bis Angela Merkel am Sonntagabend in Berlin und Horst Seehofer fast zur gleichen Zeit in München vor die Presse treten, spielt die Union toter Käfer. Stoisch ertragen die Führer von CDU und CSU, dass die Sozialdemokraten zwei Tage lang die Berichterstattung beherrschen und Sigmar Gabriel einen Großauftritt nach dem anderen hat. Was zählt, so die Unionssicht, ist der langfristige Erfolg. Und da glaubt man, bei der Ressortverteilung sehr gut verhandelt und bei den Besetzungen noch besser entschieden zu haben. "Jeder nimmt sich mit Enthusiasmus der Aufgabe an", grinst Merkel.
Dass Wolfgang Schäuble Finanzminister bleibt, ist für die Union enorm wichtig. Aber als regelrechten Coup stuft man in Merkels Umfeld die große Rochade um Ursula von der Leyen ein. Sie zur Verteidigungsministerin zu machen, bedeutet, sie zur Reservekanzlerin zu ernennen, denn das ist ein Ressort mit Renommee und internationalem Flair. Zudem: Jede andere Entscheidung, etwa sie zur Gesundheitsministerin zu machen, wäre als Degradierung empfunden worden - und hätte in der Union Unruhe erzeugt. Sie habe von der Leyens Berufung für das Verteidigungsressort schon seit längerem Zeit im Kopf gehabt, gesteht Merkel. Fast ebenso genial findet man die Versetzung Thomas de Maizières ins Innenministerium. So ist der Merkel-Getreue, der sich als Verteidigungsminister schwer tat, gerettet und noch eine zweite Fliege mit einer Klappe geschlagen: Hans-Peter Friedrich ist verdrängt, er wechselt in die Landwirtschaft, mit der er bisher allerdings wenig zu tun hatte. Im Ministerium wird bereits gespottet: "Kühe, Schweine, Hühner statt Salafisten, Rocker und Spione."
Der CSU-Mann kann aber froh sein, dass er überhaupt noch im Kabinett bleiben darf. Anders als Peter Ramsauer, den die Ungnade von Parteichef Horst Seehofer trifft. Für Seehofer sind zwei andere Dinge wichtig: Dass Verkehr und Landwirtschaft in der Hand seiner Partei bleiben, und dass sie zusätzlich mit der Entwicklungshilfe endlich wieder ein außenpolitisches Ressort bekommt. Mit Alexander Dobrindt und Gerd Müller platziert Seehofer zwei neue enge Verbündete im Bundeskabinett. Allerdings, die Entscheidungen bergen auch Risiken für den CSU-Vorsitzenden. Ramsauer ist nicht irgendwer bei den Christsozialen. Er erzielte bei der Bundestagswahl mit 62,6 Prozent in Traunstein das zweitbeste Wahlkreisergebnis aller Unions-Direktkandidaten und holte vor drei Wochen auf dem CSU-Parteitag ein überzeugendes Ergebnis als stellvertretender Parteichef. Die Personalie könnte Seehofer dereinst noch auf die Füße fallen; jedenfalls hat er jetzt einen Gegner mehr. Auch Friedrich dürfte nicht besonders glücklich über seine faktische Degradierung sein. Seehofer betont hingegen: "Ich bin hochzufrieden."
Für Angela Merkel ist vor allem der Weggang von Ronald Pofalla nicht so einfach. "Ich weiß es schon eine ganze Weile", gibt Merkel zu. Erstens vertritt er das starke Nordrhein-Westfalen, zweitens war sein Ausscheiden womöglich nicht ganz freiwillig. Die Kanzlerin befand sich in der Bredouille, weil der SPD das Umweltministerium zugefallen war und sie Peter Altmaier versorgen wollte - mit Pofallas Job. Wie man Altmaier kennt, wird er die neue Aufgabe als Zuwachs an Verantwortung und Einfluss ansehen. Es heißt, Merkel konnte ihrem Paladin Pofalla in dieser Situation keinen angemessen Ersatz anbieten. Oft und viel haben beide miteinander darüber geredet, ohne Erfolg. Pofalla will nun vorerst sein Mandat behalten, angeblich aber bald in die Wirtschaft wechseln. Schwierig ist für Merkel auch, dass die SPD die Staatsministerin für Integration im Kanzleramt stellt und ihre enge Vertraute Maria Böhmer künftig nicht mehr um sie herum sein wird. Böhmer wird im Gegenzug Staatsministerin im von Frank-Walter Steinmeier (SPD) geführten Auswärtigen Amt.
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Zur PersonDer hessische Bundestagsabgeordnete Peter Tauber (39) folgt Hermann Gröhe auf den Posten des CDU-Generalsekretärs. Er gehört zu der Gruppe jüngerer Christdemokraten, die eine einseitige Belastung ihrer Generation durch den schwarz-roten Koalitionsvertrag beklagt hatten und für die Öffnung der Partei zu den Grünen werben. Tauber ist seit 2009 im Bundestag und war im Familien, Arbeits- und Sozialausschuss aktiv. dpa