Werbeverbot Abtreibungen Ein mühsamer Kompromiss zur Frage über Leben und Tod

Berlin · Nach langem Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen hat sich die Bundesregierung geeinigt. Die Kritik hört aber nicht auf.

 Das Ultraschall-Bild zeigt einen drei Monate alten Fötus, der am Daumen nuckelt. Bis zum dritten Monat kann eine Abtreibung in Deutschland straffrei sein – unter bestimmten Voraussetzungen.

Das Ultraschall-Bild zeigt einen drei Monate alten Fötus, der am Daumen nuckelt. Bis zum dritten Monat kann eine Abtreibung in Deutschland straffrei sein – unter bestimmten Voraussetzungen.

Foto: picture alliance / Phanie/dpa Picture-Alliance / VOISIN/PHANIE

Es ist die wohl schwierigste Entscheidung, die eine schwangere Frau treffen kann: Wer über eine Abtreibung nachdenkt, ist in einer persönlichen Krise. Was erwartet mich, welche Risiken gibt es und welchem Arzt schenke ich mein Vertrauen? Wichtige Informationen sollen Schwangere nun einfacher als bisher bekommen. „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche bleibt aber verboten. Dieser mühsam ausgehandelte Kompromiss hat die große Koalition auf eine schwere Belastungsprobe gestellt. Schon jetzt gibt es Zweifel, ob er Frauen wirklich helfen wird. Doch die zuständigen Minister sind erstmal zufrieden.

Bundesjustizministerin Katarina Barley sprach von einem guten Kompromiss. Lange hatte sie zusammen mit Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) und drei Unionskollegen gerungen. Die Debatte um den Paragrafen 219a hatte im Frühjahr 2018 – noch vor der Asyldebatte – zum ersten großen Konflikt der großen Koalition geführt. Nun also ein Kompromiss.

Am Montagabend sickerte durch, dass sich die Ministerien geeinigt hätten. Danach bleibt der Paragraf 219a, das Werbeverbot für Abtreibungen, bestehen. Schwangere sollen sich aber besser über Möglichkeiten für einen Abbruch informieren können. Ärzte, die Abtreibungen durchführen und darüber informieren, sollen Rechtssicherheit haben.

Die Situation war über Monate verfahren: Die SPD wollte den Paragrafen 219a abschaffen, zog aber einen entsprechenden Entwurf im Frühjahr 2018 zurück, um den Koalitionsfrieden zu wahren. Die Union bestand darauf, den Paragrafen zu belassen. Auch gestern kündigte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wieder an, den Kompromiss genau zu „prüfen“. Der Paragraf untersagt „das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen“ von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil oder wenn dies in „grob anstößiger Weise“ geschieht.

Auslöser für den Streit um 219a war unter anderem der Fall der Ärztin Kristina Hänel, die 2017 in Gießen wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

An der Suche nach einem Kompromiss waren fünf Minister beteiligt: Neben Barley und Giffey auch Innenminister Horst Seehofer (CSU), Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU). Der Kern ihres Entwurfs: Das Werbeverbot bleibt, wird aber ergänzt. „Wir stellen sicher, dass betroffene Frauen in einer persönlichen Notsituation an die Informationen gelangen, die sie benötigen“, sagte Barley.

Konkret sieht die Einigung vor, dass Ärzte und Krankenhäuser etwa auf ihrer Internetseite informieren dürfen, dass sie Abtreibungen unter den gesetzlichen Voraussetzungen durchführen. Mehr dürfen sie aber nicht schreiben, sondern nur auf Angebote der zuständigen Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Die Bundesärztekammer soll eine Liste der Ärzte und Krankenhäuser bereitstellen, die Abbrüche durchführen. Die Altersgrenze für Frauen, bei denen die Kasse die Pille bezahlt, soll von 20 auf 22 Jahre angehoben werden.

Die Reaktionen auf den Kompromiss sind gespalten. Linke, Grüne und FDP lehnen ihn ab und fordern weiter die Abschaffung des Werbeverbots. „Keine Frau entscheidet sich aufgrund von ‚Werbung’ für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch“, kritisierte die Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring. Die Bundesregierung denke offenkundig, Frauen seien „derart blöd und manipulierbar“. Während die Deutsche Bischofskonferenz erklärte, die Reform sei „überflüssig“, sprach die Ärztekammer von einem tragfähigen Kompromiss. Frauenärztin Hänel dagegen ist nicht zufrieden. Es sei weiter verboten, ungewollt Schwangere umfassend zu informieren, sagte sie. „Das ist eine staatliche Zensur.“ Frauen wollten sich dort ein Bild machen, wo sie sich auch behandeln ließen und sich nicht extra durchs Internet klicken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort