„Ein Mörder ist gestorben“

Rom · Im Alter von 100 Jahren ist der ehemalige SS-Offizier Erich Priebke in Rom gestorben. Der NS-Verbrecher war mitverantwortlich für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen. 1944 ermordeten die Nazis dort 335 Geiseln.

Wer in den vergangenen Jahren im Osten der Stadt Rom spazieren ging, der konnte einem rüstigen, alten Mann begegnen. Gut zu Fuß, schnellen Schrittes, lief Erich Priebke durch das Viertel Aurelio. Manchmal begleiteten ihn Bekannte oder Verwandte. Immer dabei waren zwei Männer, von denen man nicht genau wusste, ob sie Priebke schützen oder bewachen sollten. Am Freitag gab sein Anwalt Paolo Giachini bekannt: Priebke, einer der letzten NS-Verbrecher, ist im Alter von 100 Jahren in Rom gestorben.

Die beiden Polizisten waren für Priebke abgestellt worden, weil er seine lebenslange Haftstrafe, zu der der gebürtige Berliner im Jahr 1998 verurteilt worden war, im Hausarrest verbüßen durfte. Sein schlechter Gesundheitszustand wurde für diese hafterleichternde Maßnahme angeführt. Eigentlich sollten die Beamten also dafür sorgen, dass Priebke nicht flüchtet. Doch sie wirkten wie Verbündete, im Supermarkt schoben sie den Einkaufswagen.

Verbündete hatte der NS-Verbrecher bis zu seinem Lebensende in Rom eine ganze Menge. "Auguri Priebke!", Herzlichen Glückwunsch Priebke, konnte man noch in diesen Tagen Graffitis auf römischen Hauswänden lesen. Der ehemalige SS-Hauptsturmführer hatte im Juli seinen 100. Geburtstag gefeiert. Bei italienischen und deutschen Neonazis ist Priebke nach wie vor ein Held. Der ehemalige SS-Offizier zeigte nie öffentlich Zeichen der Reue für seine Taten. Stattdessen stellte er sich als Opfer einer Siegerjustiz dar, was ihn zum Märtyrer bei den Neofaschisten machte. Mitglieder der NPD wollten ihn 2010 als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufstellen. Das kam einer Verhöhnung seiner Opfer gleich.

Am 24. März 1944 hatte Priebke zusammen mit anderen Tätern 335 Zivilisten zusammengetrieben und erschossen, darunter einen 15-Jährigen. Das Massaker vor den Toren Roms war die Reaktion auf einen Bombenanschlag durch Partisanen im Zentrum der Stadt, bei dem 33 deutsche Soldaten ums Leben gekommen waren. Der angeblich direkt aus Berlin angeordnete Befehl lautete damals, zehn tote Zivilisten für einen toten deutschen Soldaten. Priebke berief sich stets auf diesen "Befehlsnotstand".

Seinen 90. Geburtstag vor zehn Jahren feierte der Deutsche mit Gleichgesinnten in einem römischen Lokal. Fotos davon wurden in italienischen Klatschzeitschriften veröffentlicht. Zu seinem 100-jährigen Jubiläum wollte die Stadt Rom ähnliche Szenen vermeiden. Bürgermeister Ignazio Marino untersagte jede öffentliche Feier zu Ehren Priebkes.

Bis 1994 lebte Priebke unter seinem Namen in Argentinien. Erst Recherchen eines US-Journalisten brachten Ermittlungen gegen ihn und schließlich seine Auslieferung nach Italien in Gang. "Ich kann nicht behaupten, dass ich um ihn weinen werde", sagt Francesco Polcari, Vorsitzender des italienischen Partisanenverbands Anpi. "Ein Mörder ist gestorben, der mehr Menschen auf dem Gewissen hat als ein Serien-Killer." Er hoffe, dass sich Priebkes Begräbnis nicht in einen Naziaufmarsch verwandle. Priebkes Anwalt Giachini gab bekannt, sein Mandant habe ein Video-Testament hinterlassen. Darin wiederhole Priebke, dass er seine Vergangenheit "nicht verleugne".

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