Ein letztes Mal winken die Saarbrücker ihrer Straßenbahn nach

Saarbrücken. Wie sich die Diskussionen gleichen: Saarländische Schulpolitik hat schon vor mehr als 160 Jahren die Gemüter beschäftigt. Generationen von Lehrern trieb die Frage um, "durch welche Reorganisation des Schulwesens eine der Zeit entsprechende Volksbildung zu erzielen sei"

Saarbrücken. Wie sich die Diskussionen gleichen: Saarländische Schulpolitik hat schon vor mehr als 160 Jahren die Gemüter beschäftigt. Generationen von Lehrern trieb die Frage um, "durch welche Reorganisation des Schulwesens eine der Zeit entsprechende Volksbildung zu erzielen sei". Dies ist auch das Anliegen einer Versammlung von "Schullehrern beider Konfessionen des Kreises Saarbrücken", wie der "Saarbrücker Anzeiger" vom 20. Mai 1848 berichtet. Es sei "ein erfreuliches Zeichen unserer Zeit, weil Männer wie unsere Volksschullehrer, die nach unseren bisherigen Zuständen als bloße Maschinen betrachtet wurden, auch anfangen, ihre Meinung über das, was Not tut, auszusprechen", heißt es auf der Titelseite. "Offen heraus mit der Sprache, ihr Schullehrer, und übergebt das Resultat euerer Beratungen der Öffentlichkeit. Die Wahrheit braucht das Licht nicht zu scheuen", formuliert der Autor überschwänglich.Ein Spiegelbild des örtlichen Handels und Wandels sind bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die Zeitungsanzeigen. So empfiehlt in der SZ vom 18. Mai 1861 ein Schneidermeister aus St. Johann ein "wohlsortiertes Lager selbstverfertigter Herrenkleider in schönen Stoffen und zu sehr billigen Preisen". Ein Dr. von Burski wirbt für seine neue "Augenheil-Anstalt zu Wallerfangen bei Saarlouis". Und ein "einzelner Herr in der Nähe von Saarbrücken" sucht für seinen Haushalt "ein Frauenzimmer in gesetztem Alter, das sowohl mit dem Kochen wie mit dem ganzen Hauswesen vertraut sein soll".

Ein Ereignis, das vor genau 46 Jahren vielen Saarbrückern ans Gemüt ging und auch in der SZ historische Schlagzeilen findet: die Fahrt der letzten Straßenbahn am 22. Mai 1965. "Mehr als 70 Jahre hat sie treu gedient . . . Girlandengeschmückt fuhr sie noch einmal durch die Stadt. Jetzt besitzt sie lediglich noch Schrottwert. Die Straßenbahn muss dem Omnibus das Feld überlassen. Er gilt als wendiger und rentabler", schwingt auch etwas Wehmut in der SZ-Berichterstattung mit. Viel Prominenz - an der Spitze Regierungschef Franz Josef Röder - war gekommen, um bei der letzten "Ehrenrunde" mit dabei zu sein. "Die Saarbrücker ließen es sich nicht nehmen, der guten alten Straßenbahn auf ihrer letzten Fahrt noch einmal zuzuwinken. Wer einen Fotoapparat besitzt, beeilte sich, das lokalgeschichtliche Ereignis auf den Film zu bannen", beschreibt der Autor das Treiben in der Stadt. Niemand hätte damals gedacht, dass rund drei Jahrzehnte später - am 24. Oktober 1997 - ein hochmodernes Schienenfahrzeug, die Saarbahn, in Saarbrücken seinen Betrieb aufnimmt.

Zurück ins Jahr 1951: "Demokratische Partei des Saarlandes aufgelöst" titelt die SZ am 22. Mai in großen Lettern. Fast die gesamte Titelseite widmet sie dem Thema, das die Politik im autonomen Saarland aufwühlt. Im Wortlaut werden der Auflösungserlass von Innenminister Edgar Hector (CVP), der Brief des französischen Außenministers Robert Schuman sowie die Rundfunkrede von Ministerpräsident Johannes Hoffmann (CVP) veröffentlicht. Dieser begründet "in sehr eindringlicher Weise und folgerichtig, dass die bisherigen Bestrebungen der DPS sich gegen die Verfassung des Saarlandes und den bestehenden Zustand wendeten, und geeignet wären, die ruhige Aufwärtsentwicklung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht aufs schwerste zu gefährden", schreibt die Zeitung. In der Präambel zur Verfassung des Saarlandes von 1947 war festgeschrieben worden, dass das "Volk der Saar seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an die französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr" gründet. Die Hoffmann-Regierung sah durch den deutschland-freundlichen Kurs der DPS, die die Wiedervereinigung des Saarlandes mit Deutschland unterstützte, diese Ziele gefährdet. Im Abstimmungskampf 1955 wurde die Partei dann wieder zugelassen.

Was sonst noch geschah in dieser Mai-Woche:

17. Mai 1861: Thomas Cook organisiert die erste Pauschalreise für britische Arbeiter nach Paris.

21. Mai 1927: Charles Lindbergh gelingt mit seinem Flugzeug Spirit of St. Louis von New York aus die erste Alleinüberquerung des Atlantiks.

16. Mai 1974: Der Bundestag wählt Helmut Schmidt als Nachfolger des wegen der Guillaune-Affäre zurückgetretenen Willy Brandt zum Bundeskanzler.

 Feierlich geschmückt durchquert die Straßenbahn ein letztes Mal die Bahnhofstraße. Foto: Hartung

Feierlich geschmückt durchquert die Straßenbahn ein letztes Mal die Bahnhofstraße. Foto: Hartung

 Feierlich geschmückt durchquert die Straßenbahn ein letztes Mal die Bahnhofstraße. Foto: Hartung

Feierlich geschmückt durchquert die Straßenbahn ein letztes Mal die Bahnhofstraße. Foto: Hartung

21. Mai 1975: Beginn des Stammheim Prozesses gegen die Baader-Meinhof-Gruppe.

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