Ein Klimaschutz-Paket gegen die Rezession

Die EU-Partner wollen Deutschland offenbar drängen, noch mehr gegen die Rezession zu tun. Was kann dabei herauskommen?In Steuerfragen sind die Mitgliedstaaten zuständig. Da hilft auch kein Druck

Die EU-Partner wollen Deutschland offenbar drängen, noch mehr gegen die Rezession zu tun. Was kann dabei herauskommen?In Steuerfragen sind die Mitgliedstaaten zuständig. Da hilft auch kein Druck. Berlin argumentiert, dass zum Beispiel befristete Mehrwertsteuer-Senkungen nichts bringen, außer horrenden Kosten für den Handel, der seine gesamte Preisauszeichnung und Kassenführung zwei Mal umstellen muss.Die Bundesrepublik soll aber doch mehr tun, um die Wirtschaft anzukurbeln. Was könnte das sein?Die Kanzlerin wird vor allem dafür werben, Investitionsbremsen der Kommission zu lockern. Dazu gehören höhere Freibeträge für staatliche Beihilfen an den Mittelstand. Bisher dürfen nur maximal 200000 Euro an einen Betrieb gehen, ohne dass Brüssel die Zahlungen kontrolliert. Künftig sollen es 400000 Euro sein. Das würde viel schnelles Geld für Betriebe bedeuten. Zum Zweiten will man brachliegende Investitionen freimachen. Die Telekom zögert den Vier-Milliarden-Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes hinaus, weil die Kommission verlangt, dass die Wettbewerber sich nicht durch höhere Zugangsgebühren an den Investitionen beteiligen müssen. Eine Kursänderung würde in dieser Frage einen sofortigen Investitionsschub bringen.Die Industrie argumentiert, die Klimaschutz-Auflagen würden sie überfordern. Stimmt das?Die Kanzlerin sagt: Nein, das stimmt nicht. Im Gegenteil: Die Anhebung des Anteils erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch Deutschlands auf 20 Prozent (derzeit liegt die Bundesrepublik bei knapp sechs Prozent) bis 2020 beschert der führenden deutschen Wirtschaft viele Aufträge.Aber die Unternehmen werden doch unter der geplanten Einführung kostenpflichtiger Emissions-Zertifikate leiden?Betroffen sind die besonders energieintensiven Branchen wie Stahl-, Aluminium-, Chemie- und Zement-Industrie. Für sie will die Bundesregierung auch nach 2013 kostenfreie Zertifikate aushandeln, um zu verhindern, dass Betriebe ins Nicht-EU-Ausland abwandern und dadurch Jobs verloren gehen. Die Bundeskanzlerin will mit zwei Argumenten in Brüssel auftreten: Zum einen wäre eine zunächst weiter kostenlose Zertifikate-Zuteilung eine Schonfrist, bis das Emissionshandelssystem weltweit eingeführt wurde - als ein Beschluss der Kyoto-Nachfolgekonferenz 2009 in Kopenhagen. Dies ist zum anderen deshalb vertretbar, weil der Anteil der Industrie an den CO2-Emissionen häufig überschätzt wird. Die Wärmedämmung der Haushalte brächte mehr und wäre ein hervorragendes Konjunkturprogramm.Wird man die neuen CO2-Grenzwerte für Pkw ab 2012 noch einmal entschärfen?Nein. Innerhalb der Staats- und Regierungschefs gilt der jetzt vorliegende Fahrplan als vertretbar. Auch aus deutscher Sicht. 2012 müssen 65 Prozent der Neuwagen den Grenzwert von 120 Gramm CO2 pro Kilometer schaffen, bis 2015 dann alle. Auch die Strafzahlungen beim Überschreiten gelten als tragbar.Wie groß ist die Gefahr, dass der EU-Gipfel die Klimaschutzziele verwässert?Das will niemand. Zumindest nicht offiziell. Ob die Beschlüsse aber tatsächlich geeignet sind, die Ziele (bis 2020: 20 Prozent weniger CO2, 20 Prozent mehr erneuerbare Energien, 20 Prozent Energieeinsparung) zu erreichen, ist offen.Was passiert, wenn sich die EU-Staats- und Regierungschefs nicht einigen könnte?Dann wird das gesamte Paket beim Gipfeltreffen im kommenden März wieder vorgelegt. Allerdings befürchten viele Beobachter, dass die dann amtierende tschechische EU-Ratspräsidentschaft den Klimaschutz nicht so engagiert behandelt wie derzeit die französische. Im März allerdings braucht man einen Beschluss, weil die Maßnahmen sonst nicht mehr vom Europa-Parlament gebilligt werden können. Denn am 7. Juni 2009 wird die europäische Volksvertretung neu gewählt.

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