Ein kaltes "Njet" zerstört alle Hoffnung

Brüssel. Knapp drei Stunden lang durften Millionen Europäer in eiskalten Wohnungen hoffen. Dann machte am Abend ein nüchternes "Njet" aus Moskau alle Zuversicht auf ein baldiges Ende des Gasstreits vorerst wieder zunichte

Brüssel. Knapp drei Stunden lang durften Millionen Europäer in eiskalten Wohnungen hoffen. Dann machte am Abend ein nüchternes "Njet" aus Moskau alle Zuversicht auf ein baldiges Ende des Gasstreits vorerst wieder zunichte. Dabei hatte die EU-Kommission bereits begonnen, jenes Dutzend Beobachter aus ganz Europa zusammenzutrommeln, die am heutigen Freitagmorgen zu den ukrainischen Pipeline-Stationen gebracht werden sollen. Erst am späten Abend einigte man sich offenbar auf die Entsendung.

Doch zunächst bestand Moskau darauf, dass zusätzlich eigene Experten freien Zugang zu der Pipeline in den Westen haben - auch auf ukrainischem Gebiet. Das wiederum konnte und wollte die EU-Kommission nicht entscheiden. Der Kreml reagierte prompt und machte mit einem Federstrich den bereits in Brüssel gefeierten Durchbruch zunichte. Begleitet von einer beispiellosen Schimpftirade Putins in Richtung Kiew.

Die dortige Führung sei unfähig und "hochgradig kriminell". Der russische Ministerpräsident weiter: "Die heutige politische Führung der Ukraine zeigt ihre Unfähigkeit bei der Lösung von Wirtschaftsproblemen".

Dabei hatte es noch am Nachmittag geheißen, schon heute werde das erste Gas nach Westeuropa fließen. "Sobald die Beobachter an Ort und Stelle sind, werden wir wieder Gas in die Leitungen pumpen", war Gazprom-Chef Alexej Miller vorgeprescht, ohne zuvor die Zustimmung des Kreml abzuwarten. Die blieb denn auch aus. "Jetzt ist es an der russischen Seite zu prüfen, welche zusätzlichen Elemente sie braucht, um die Gaslieferungen wieder aufzunehmen", übte sich EU-Industriekommissar Andris Piebalgs am Abend in Diplomatie. Die tschechische Ratspräsidentschaft war da offener. Industrieminister Martin Riman, der die Verhandlungen geleitet hatte: "Wir sind sehr enttäuscht."

Es war das Ende einer Harmonie, die die beiden Konzernchefs Alexej Miller (Gazprom, Moskau) und Oleg Dubina (Naftogas, Kiew) sogar mit einem gemeinsamen Rückflug im selben Jet krönen wollten. Abgesagt.

Während die heiße Schlacht ums Gas also weiterging, froren Millionen Südosteuropäer in ihren Wohnungen. In der Slowakei wurden Teile der Industrie lahmgelegt, um Gas für Wohnungen, Schulen und Kliniken zu haben. Im serbischen Novi Sad blieben 80 000 Wohnungen kalt. Hinter den Kulissen versorgte Eon-Ruhrgas gleich drei Länder mit Stützungslieferungen. Dennoch dürfte die angespannte Lage in Süd- und Osteuropa selbst nach einer Einigung noch länger dauern. Aus technischen Gründen kann der Gas-Druck in den Pipelines nur langsam wieder aufgebaut werden. Bis aus den Leitungen wieder die gewohnte Menge strömt, werden Tage vergehen. Für Montag hat der tschechische EU-Vorsitz die 27 EU-Energie-Minister zu einer Dringlichkeitssitzung nach Brüssel beordert, um über Konsequenzen und langfristige Strategien zu reden. Beides ist notwendiger als bisher vermutet. Denn die oft beschworene Solidarität der EU-Staaten ist offenbar nicht nur eine politische, sondern auch eine technische Herausforderung. Wie EU-Parlamentarier bestätigten, wäre bei einer Fortdauer des Lieferstopps eine intensive gegenseitige Hilfe der Länder untereinander gar nicht möglich gewesen, weil die Leitungen nicht genügend vernetzt seien. Auch fehle es an Koordinierung, damit Gas wirklich bei dem ankommt, der es am nötigsten braucht. Gleichzeitig wurden Stimmen lauter, die eine größere Nutzung weiterer Energiequellen einforderten und damit die Kernkraft meinten.

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