Ein Gelöbnis - als Anfang vom Ende
Kirchberg. Alle acht Jahre war Kirchberg an der Reihe: Dann verwandelte sich der historische Marktplatz des Hunsrückdorfes in den Schauplatz eines Bundeswehr-Gelöbnisses. Damit ist nun Schluss: "Es war das letzte Mal, dass sich Wehrpflichtige hier zum Gelöbnis versammelt haben", bedauert Bürgermeister Harald Rosenbaum
Kirchberg. Alle acht Jahre war Kirchberg an der Reihe: Dann verwandelte sich der historische Marktplatz des Hunsrückdorfes in den Schauplatz eines Bundeswehr-Gelöbnisses. Damit ist nun Schluss: "Es war das letzte Mal, dass sich Wehrpflichtige hier zum Gelöbnis versammelt haben", bedauert Bürgermeister Harald Rosenbaum. Dass ihm die Ehre zuteil wurde, den historischen Moment zu begleiten "das war Zufall". Die Verbandsgemeinde Kirchberg liegt im strukturschwachen Teil von Rheinland-Pfalz, da, wo weder Wein noch Tourismus gedeihen. Dafür ist die Bundeswehr präsent, in Mayen und Kastellaun stehen mehrere größere Kasernen. Und aus Kastellaun sind nun die letzten Pflicht-Rekruten angerückt, um zu geloben, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, wie es im Gelöbnis-Text heißt.Schon um 15 Uhr sind die ersten Bundeswehr-Busse mit den 73 jungen Soldaten angekommen, die dem 7. Führungs- und Unterstützungsbataillon 282 der Hunsrückkaserne Kastellaun angehören. Das feierliche Gelöbnis ist gegen 18 Uhr anberaumt, davor müssen die Rekruten noch ein wenig üben. Sie stehen zunächst stramm auf dem Platz vor der Kirche und marschieren dann übungsweise auf den Marktplatz, dessen dörfliche Beschaulichkeit für diesen Nachmittag außer Kraft gesetzt ist. Die Verkäuferin aus dem Blumenladen "Paradieso's Pusteblume" guckt interessiert aus dem Fenster. Viel ist in Kirchberg ja sonst nicht los. Es gibt am Markt noch eine historische Apotheke, ein "Asia Wok-Haus" und Angie's Kosmetiksalon mit Fußpflege. Kanzlerin Angie ist auch nicht weit weg, sie befindet sich gerade auf Wahlkampf-Tour durch Rheinland-Pfalz, aber bis Kirchberg ist sie nicht gekommen. Was der kleine Marktplatz wohl auch nicht verkraftet hätte.
Seit dem 3. Januar sind die Rekruten nun schon dabei - und durchaus angetan von ihrer neuen Aufgabe. Jörg Zirwes, der Spieß der Kompanie, ist stolz auf seine Jungs: "Das 7. Bataillon ist das Ausbildungsbataillon, ich denke, die Rekruten sind innerhalb der wenigen Wochen schon eine gute Gemeinschaft geworden." Das sehen auch die dazugehörigen Saarländer so, die Anfang Januar ihr Elternhaus gegen den Kasernenalltag eingetauscht haben. Freiwillig, wie sie betonen. "Ich habe die Entscheidung ganz unserem Sohn überlassen", sagt Helmut Huwer aus Altenkessel. Er ist mit seiner Frau Uschi nach Kirchberg gekommen, um dem 20-jährigen Sebastian beim Gelöbnis zuzuschauen. "Ein bisschen stolz sind wir natürlich auch", ergänzt Uschi Huwer. Sebastian ist froh, "dass ich diese Erfahrung machen kann". Er hofft, neben neuen Erfahrungen während der sechsmonatigen Grundausbildung auch Klarheit über seinen Beruf zu bekommen: "Vielleicht will ich danach ja bei der Bundeswehr bleiben. Oder ich gehe zur Polizei, das würde mir auch gefallen."
Auch der 20-jährige Dominik Theobald aus Saarwellingen nutzt die Bundeswehrzeit, um sich über seine spätere Berufslaufbahn Gedanken zu machen. Er hat in Dillingen an einem Technischen Gymnasium sein Abitur gemacht und überlegt nun, ob er bei der Bundeswehr studieren möchte. "Ich habe mich freiwillig gemeldet", betont er, "nach sechs Monaten weiß ich mehr. Grundsätzlich fände ich eine Ausbildung bei der Bundeswehr gut." Dominik Burgardt (18) kommt aus Düppenweiler und bereut seine Entscheidung keine Minute: "Man kann hier viele neue Erfahrungen machen. Wenn man nur zu Hause sitzt, erlebt man wenig im Vergleich zur Bundeswehr. Man wird hier gefordert, aber es macht auch Spaß." Er werde aus den sechs Monaten Grundausbildung auf alle Fälle etwas fürs Leben mitnehmen.
Dass sie die "letzten Mohikaner" sind, die dieses Gelöbnis ablegen, weckt nostalgische Gefühle: "Wir werden in 20 Jahren mal sagen, dass wir damals die letzten Wehrpflichtigen waren", vermutet Sebastian. Und Dominik Theobald fügt hinzu:. "Ich bin auch ein bisschen stolz, dass ich später mal sagen kann, ich sei der letzte Rekrut der alten Bundeswehr gewesen."
Nostalgische Gefühle beschleichen auch die Vorgesetzten. Oberstleutnant Olaf Stamm, der das feierliche Gelöbnis abnimmt, befürchtet, "dass die Bundeswehr nicht mehr dieselbe sein wird. Der Bezug zur Bevölkerung geht verloren". Für ihn war wichtig, dass es jedes Jahr "ein Schnitt durch die Gesamtbevölkerung" war, der zur Ausbildung kam. Das ginge nun verloren. Aber er weiß auch, dass in den vergangenen fünf Jahren ohnehin fast nur noch Freiwillige kamen: "Es war am Ende kein allzu großes Problem mehr, sich dem Wehrdienst zu entziehen."
Im Gottesdienst, der dem feierlichen Gelöbnis vorausgeht, macht Pfarrer Klaus Beckmann, der fast zehn Jahre in Homburg tätig war, darauf aufmerksam, dass die Demokratie Werte und Freiheiten garantiere, die die meisten Menschen einfach hinnähmen, ohne daran zu denken, dass sie von Soldaten mit dem Einsatz ihres Lebens verteidigt würden. Es seien die Soldaten, die diesen Konflikt an vorderster Font aushalten müssten, nicht diejenigen, die zu Hause Friedensfahnen schwenkten.
Gegen 19 Uhr geht das letzte Gelöbnis der "alten Bundeswehr" feierlich zu Ende. Fackeln erleuchten den Kirchberger Marktplatz, es erklingt des Großen Kurfürsten Reitermarsch. Für einige Momente lässt der Marsch das alte Preußen wiederaufleben und verleiht diesem historischen Moment die richtige Aura. Familie Huwer tut danach das, was Saarländer in diesem Fall immer tun: "Wir gehen jetzt mit Sebastian was Gutes essen", sagt Uschi Huwer. "Wir werden in 20 Jahren mal sagen, dass wir damals die letzten Wehrpflichtigen waren."
Sebastian Huwer