Ein ganzes Leben für Krupp

Essen · Eine Legende der deutschen Wirtschaftsgeschichte ist tot: Berthold Beitz, über Jahrzehnten die bestimmende Figur bei Krupp, starb im Alter von 99 Jahren. Mit seinem Namen sind wegweisende Entscheidungen innerhalb des Industrie-Konzerns verbunden.

Er rettete im Zweiten Weltkrieg vielen hundert Juden das Leben und trug bei Krupp 60 Jahre Führungsverantwortung für eines der größten deutschen Unternehmen. Berthold Beitz war seit seinem Dienstantritt als Generalbevollmächtigter von Alfried Krupp an der Spitze des Essener Stahlkonzerns im Jahr 1953 eine der außergewöhnlichsten Figuren der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Noch bis kurz vor seinem Tod mit fast 100 Jahren ließ sich der Manager an fast jedem Arbeitstag in sein Büro gegenüber der Villa Hügel fahren. Als Kuratoriumschef der mächtigen Krupp-Stiftung übte er auf den heutigen Thyssen-Krupp-Konzern mit über 150 000 Beschäftigten erheblichen Einfluss aus. Entscheidungen von Tragweite waren ohne ihn nicht denkbar.

Der Tod von Beitz mit seiner starken persönlichen Ausstrahlung dürfte das Klima und den Geist des Unternehmens stark verändern: Es werde sich nach Beitz stärker zu einem "normalen" Dax-Konzern entwickeln, erwarten Beobachter.

1913 geboren, hatte Beitz nach Abitur und Banklehre zunächst bei der Ölfirma Shell Karriere gemacht. Im Zweiten Weltkrieg schützte er als kaufmännischer Leiter der Karpaten Öl AG im besetzten Polen auch mit persönlichem Risiko jüdische Arbeiter vor der SS. Dafür erhielt Beitz später zusammen mit seiner Frau Else den selten verliehenen Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern".

Überzeugendes und gewinnendes Auftreten zählten zu den Stärken von Beitz. Nach einer eher zufälligen Begegnung mit Alfried Krupp von Bohlen und Halbach ernannte Krupp den ruhrgebietsfremden Manager 1953 zu seinem Generalbevollmächtigten. Nach Alfrieds Tod 1967 übernahm Beitz den Vorsitz der neu gegründeten Stiftung, die Alleineigentümerin von Krupp wurde. Beitz führte Krupp durch mehrere Stahlkrisen und hatte als Protagonist der Fusion mit Thyssen im Jahr 1999 maßgeblichen Anteil daran, dass der Name Krupp bis heute erhalten blieb.

Auch im Sport engagierte sich Beitz viele Jahre lang. Von 1972 bis 1988 gehörte er dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) an, war von 1984 bis 1988 dessen Vizepräsident und ist seit seinem Ausscheiden IOC-Ehrenmitglied gewesen.

Der schlanke, mittelgroße Manager zeigte sich öffentlich stets mit dunklem Anzug und Einstecktuch. Sein Verständnis für die Belange der Arbeiterschaft hat Beitz oft bewiesen. Zugleich vermittelte er nach außen hin ein Gutteil der patriarchalischen und fast aristokratischen Ausstrahlung der Krupps. Seinen Nimbus nutzte Beitz etwa 2009, um zwischen Thyssen-Krupp-Management und Beschäftigten zu vermitteln, die über Kürzungspläne in Streit geraten waren. 2011, bei der 200-Jahr-Feier, die noch einmal den ganzen Glanz des Hauses aufleben ließ, postulierte Beitz als eine Art Vermächtnis seine Vorstellungen eines "moralischen Kapitalismus".

Beitz äußerte sich im März in einem seiner seltenen Interviews auch zum Rücktritt von Thyssen-Krupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der lange als Kandidat für die Nachfolge von Beitz an der Stiftungsspitze galt. "Über Jahre habe ich gehört, bald werde alles besser, aber es wurde immer schlimmer. Ich musste einfach handeln", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". In Kreisen der Firma habe sich in den vergangenen Jahren "Größenwahn" abgezeichnet. Beitz hatte Cromme bis zuletzt den Rücken gestärkt. Als die ersten Rücktrittsforderungen erhoben wurden, gab er dem "Handelsblatt" noch zu Protokoll: "Cromme bleibt!".

Wenn er öffentlich als "der letzte Krupp" bezeichnet wurde, hat Beitz stets beischeiden abgewehrt. "Ich bin der letzte Beitz", sagte der Vater von drei Töchtern dann meist.

Zum Thema:

HintergrundPersönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft haben betroffen auf den Tod von Berthold Beitz reagiert. "Mit Berthold Beitz verliert Deutschland eine seiner angesehensten und erfolgreichsten Unternehmerpersönlichkeiten", sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Bundespräsident Joachim Gauck erklärte, Deutschland habe "einen Mann verloren, dem Gemeinschaft nicht nur ein Wort, sondern ein Wert war - einer der höchsten überhaupt." Für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück war Beitz "ein Sportsmann und Gentleman. Ein Mann mit Stil und höchstem Anstand". IG Metall-Chef Berthold Huber sprach von drei Eigenschaften, die Beitz prägten: "Verantwortungsbereitschaft, Mut, Entschlossenheit." dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort