Ein Fest der kontrollierten Harmonie

München. Die Ökumene, sagt Alois Glück, hat sich als "wetterfest" erwiesen. Da schmunzeln und klatschen die Zuhörer. Und jeder weiß, dass der katholische Präsident des 2. Ökumenischen Kirchentags nicht nur Regenschauer und kühle Brisen meinte. Das Christentreffen ging gestern mit einem großen Gottesdienst zu Ende

München. Die Ökumene, sagt Alois Glück, hat sich als "wetterfest" erwiesen. Da schmunzeln und klatschen die Zuhörer. Und jeder weiß, dass der katholische Präsident des 2. Ökumenischen Kirchentags nicht nur Regenschauer und kühle Brisen meinte. Das Christentreffen ging gestern mit einem großen Gottesdienst zu Ende. In wirtschaftlichen und kirchlichen Krisenzeiten bot der Münchner Mai viele Wolken und gelegentlich ein Stück vom Himmel.Insbesondere bei den Podiumsdiskussionen zur Ökumene, bei denen Spitzenvertreter der katholischen wie auch der evangelischen Kirche vertreten waren, hielten sich beide Seiten mit Kritik am "ökumenischen Partner" zurück. Geradezu mantraartig wiederholten katholische wie protestantische Geistliche, dass die beiden Kirchen mehr verbinde als trenne.

Im Gegensatz zu früheren Kirchen- und Katholikentagen dominierte kein einzelnes politisches oder gesellschaftliches Thema. Anders als beim 1. Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin war auch nicht das Ereignis schon das Ereignis. Auch die Politiker, ja der gesamte Bereich der Politik spielte in München eine deutlich geringere Rolle. Ein Politikthema war der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Da betonte Kanzlerin Angela Merkel bei einer Talkrunde die militärische Zielrichtung und stellte entwicklungspolitische Aspekte hintan - neben einem einsamen Pfiff gab es dafür Beifall. 90 Minuten später beklagte Rockröhre Nina Hagen an gleicher Stelle das Leid der Afghanen unter den Kriegen fremder Mächte, forderte "Gitarren statt Knarren" - und erhielt Beifall.

Auch Margot Käßmann bekräftigte ihre Kritik an Afghanistan und rief dazu auf, "Logik und Praxis des Militärischen" zu durchbrechen. Bei ihr gab es eher Jubel als Beifall.Die politische Botschaft des Treffens war die Ankündigung der Kirchen, ein neues gemeinsames Sozialwort vorzulegen. Es gehe um mehr soziale Gerechtigkeit, um "weniger ich und mehr du", sagte der evangelische Kirchentagspräsident Eckard Nagel. "Gott stürzt die Mächtigen vom Thron", hieß es im biblischen Text zum Beginn der Abschlussfeier. Dazu passten die vielen drastischen Worte: Münchens Erzbischof Reinhard Marx sprach von entfesseltem Kapitalismus und ideologischer Verwirrung, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Präses Nikolaus Schneider, von Verantwortungslosigkeit.

Bei der Ökumene, sagte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, gehe es nicht um eine durchorganisierte "Superkirche", sondern um Vielfalt in Liturgie und Tradition. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, äußerte Verständnis für Ungeduld beim Drängen nach Mahlgemeinschaft. Und er warnte davor, diesen Schritt ohne offizielle Trennung zu vollziehen. Gerade die Katholiken kamen belastet vom Missbrauchsskandal nach München. Die Messehallen waren bei diesen Veranstaltungen nicht voll besetzt, aber voller lauter Wut und stiller Emotionen. "Wir leiden an unserer Kirche, wir leiden mit unserer Kirche. Aber sie ist weiter unsere Kirche", sagte Glück. Auch da gab es Beifall.

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