Porträt der Woche Ein Dorfliebling wie aus dem Bilderbuch

Sotzweiler · Christopher Salm aus Sotzweiler ist der jüngste Ortsvorsteher im Saarland. Was treibt einen 24-Jährigen heutzutage in die Politik?

 Die Bürgersprechstunde hat er abgeschafft, dafür ist er stets per E-Mail und Handy erreichbar: Christopher Salm aus Sotzweiler ist der jüngste Ortsvorsteher im Saarland – und er liebt seinen Job.

Die Bürgersprechstunde hat er abgeschafft, dafür ist er stets per E-Mail und Handy erreichbar: Christopher Salm aus Sotzweiler ist der jüngste Ortsvorsteher im Saarland – und er liebt seinen Job.

Foto: B&K/Bonenberger/

Seine erste direkte Begegnung mit der halbwegs großen Politik ist eine Rede des ehemaligen Wirtschaftsministers Christoph Hartmann. Christopher Salm, damals 16, besucht mit seiner Schulklasse den saarländischen Landtag, wo der stets gut gefrisierte FDP-Mann einen „auffallenden Auftritt“ hinlegt – einen bleibenden Eindruck hinterlässt Hartmann jedoch nicht. Wenn man Salm heute fragt, welcher Politiker ihn denn tatsächlich beeindruckt, nennt er den Tholeyer Bürgermeister Hermann Josef Schmidt, ein CDU-Parteifreund. „Was der für die Gemeinde geleistet hat: Hut ab!“

Mit 24 Jahren ist Christopher Salm aus Tholey-Sotzweiler der jüngste Ortsvorsteher des Saarlandes. Was treibt einen wie ihn dazu, sich politisch zu engagieren? Noch dazu parteipolitisch, mit allem was dazugehört: Sitzungen, Satzungen, Wahlkampf? Ist es Idealismus – oder die Aussicht auf eine vielversprechende Karriere? Die Antwort auf diese Fragen liegt im Fall Salm am Fuße des Schaumbergs. Sein Heimatort mit den gut 1200 Einwohnern ist ein kleines Idyll, mit Fußballverein, Schützen, Landfrauen, kleiner Mehrzweckhalle. Es gibt noch eine Bäckerei, demnächst öffnet wahrscheinlich sogar eine neue Kneipe. Alles keine Selbstverständlichkeit mehr auf dem Land.

Sotzweiler ist allerdings auch ein typisches Durchgangdorf, direkt an einer Bundesstraße gelegen, eine Ortsmitte gibt es nicht. Das soll sich ändern. Ein Dorfentwicklungsplan will, dass an zentraler Stelle ein Platz für die Gemeinschaft entsteht. Dazu wurden bereits Gebäude gekauft und schon teilweise abgerissen. Dann sollen Investoren her. „Ich wünsche mir ein Wohnhaus mit Café im Erdgeschoss. Das würde dem Ort guttun“, sagt Salm. Erst einmal muss er aber noch eine Lösung für den Box-Club finden, der derzeit in einem leerstehenden Haus untergekommen ist. Die Zukunft Sotzweilers – sie liegt seit knapp einem Jahr in den Händen eines jungen Mannes, der seine eigene noch vor sich hat. Dass er mit 23 Ortsvorsteher wurde, kam für Salm selbst überraschend. Doch als es darum ging, einen Nachfolger für seinen 65-jährigen Amtsvorgänger zu finden, scheute Salm den damit verbundenen Mehraufwand nicht. „Ich habe mir das zugetraut“, sagt er – und meint auch die Verantwortung. Also arbeitete er sich ein in Zuständigkeiten, Abläufe, Themen und Projekte. Das alles neben seinem Jura-Studium an der Saar-Uni, wo er auch als studentische Hilfskraft arbeitet – neben seinem Amt als Chef der Jungen Union Tholey.

Die Aufwandsentschädigung für seine Arbeit als Ortsvorsteher liegt bei knapp 400 Euro pro Monat. Das Geld kann es also eher nicht sein, das Salm in die Politik treibt. Ist es die Aussicht auf Macht? Der Reiz, schon in jungen Jahren eine Führungsrolle zu übernehmen? Salm winkt ab. „Ich würde nie meine eigenen Interessen gegen die der Leute durchsetzen.“ Auch in seinem Verhalten will er nicht das Alphatier rauskehren. „Wenn ich hier so auftreten würde, als hätte ich Autorität qua Amt, würden das die Leute bloß arrogant finden.“

Viel entscheiden kann ein Ortsvorsteher ohnehin nicht. Salms Rolle ist die eines Vermittlers – zwischen den Zwängen der Verwaltung und den Wünschen der Bürger. „Am liebsten würde man zu allem ja sagen“, verrät Salm. Doch das ginge natürlich nicht. Für die Menschen im Dorf ist er Ansprechpartner für alles. Ob das Anliegen überhaupt in seinen formalen Zuständigkeitsbereich fällt, ist da zweitrangig. „Ich versuche zu helfen, wo es geht.“

Die wöchentliche Bürgersprechstunde hat Salm abgeschafft, da ist kaum jemand gekommen. Dafür ist er stets per Mail und Handy zu erreichen. So kann er kleinere Probleme schnell lösen. „Wenn einer nicht schlafen kann, weil der Gullydeckel immer klappert, sobald ein Auto drüber­fährt, und man kann dem innerhalb eines Tages helfen: Das macht einen froh.“ Bei aller Idylle – vor Foulspiel ist man in seiner Position nicht gefeit. „Das gibt es natürlich. Manche reden hinter dem Rücken anders als davor.“ Einmal hat einer auf Facebook einen Kommentar gepostet, weil es in Sotzweiler keine Weihnachtsbeleuchtung in diesem Jahr gab. „Derjenige hätte auch einfach hier anrufen können und ich hätte ihm erklärt, warum die Entscheidung so gefallen ist. Das hat mich schon geärgert.“ Insgesamt seien die Reaktionen auf seine Arbeit jedoch fast durchweg positiv – gerade bei den Älteren, die sich freuen, dass „ein Junger“ sich um das Dorf kümmert.

Allgemeine Klagen über eine angeblich selbstbezogene Jugend, die sich statt fürs Gemeinwesen nur fürs eigene Fortkommen interessiere, verwirft Salm als alten Hut. Was er jedoch sehr wohl sieht: Es ist oft erst die persönliche Betroffenheit, die den Ausschlag zur politischen Aktivität gibt – unabhängig vom Alter: „Wenn zehn Meter neben mir ein Flüchtling wohnt, ist das plötzlich ein Thema, das mich betrifft.“ In Sotzweiler waren zu Hochzeiten 50 Flüchtlinge untergebracht, das hätte aber vor allem positive Folgen gehabt, erzählt Salm. So seien im alten Kindergarten neue Wohnungen entstanden. Eine Handvoll Flüchtlinge lebe weiterhin im Ort, ein Mann aus Syrien engagiere sich beim Roten Kreuz.

Dass sich aus persönlicher Betroffenheit nicht zwangsläufig ein Interesse an Parteiarbeit ergibt, kann Salm nachvollziehen. „Ich verstehe die Leute, die sagen, sie binden sich nicht mehr an das Profil einer Partei. Und ich verstehe junge Menschen, die sagen, sie wollen ihre Freizeit nicht in Sitzungen verbringen. Es gibt schließlich auch noch andere schöne Hobbys.“

Er selbst sieht sein Engagement nicht als aufgeopferte Zeit. „Es ist für mich eher Bereicherung als Belastung. Ich kann jedem empfehlen, es mal auszuprobieren. Man erhält Einblicke, die man sonst nie bekäme.“ Davon ist er überzeugt.

Neben dem politischen Engagement und einem anstrengenden Studium – Salm hat gerade das erste juristische Staatsexamen bestanden – legt der 24-Jährige Wert auf ein normales Privatleben. Das sieht dann aus wie bei einem durchschnittlichen Studenten: gemeinsame Abende mit der Freundin oder mit Freunden, Netflix schauen, Fußball spielen. Während es jedoch viele Studenten in die weite Welt zieht – oder zumindest in die Landeshauptstadt –, ist Salm seinem Heimatort treu geblieben. Die Lebensart im St. Wendeler Land entspricht ihm, er liebt die Ruhe in der Natur, den Schaumberg und besonders die Sprache. „Ein Witz auf Saarländisch ist etwas ganz anderes als auf Hochdeutsch. Und wenn jemand am Sonntag auf dem Sportplatz im Dialekt einen dummen Spruch macht, fühlt man sich sofort wohl.“

Junge Union, Jurastudium, Ortsvorsteher – auf den ersten Blick sieht das nach einem ausgefeilten Karriereplan aus. Doch der Weg zum professionellen Politiker ist für den jungen Christopher Salm noch weit. Ob es überhaupt der richtige für ihn wäre, darüber ist er noch sehr unschlüssig. Seine Motivation, wie er immer wieder betont, ist nicht die Aussicht auf eine lukrative Stelle, sondern Verbundenheit zur Heimat. „Als Ortspolitiker braucht man Leidenschaft. Es geht da nicht um abstrakte Gesetze, sondern um konkrete Dinge. Man kann im Kleinen was machen, damit das Leben schöner, besser, einfacher wird.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort