Ein bisschen Wärme in stürmischen Zeiten

Paris. Warme Worte und Küsschen: Bei der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der deutsch-französischen Versöhnung gaben sich Kanzlerin Angela Merkel und Präsident François Hollande betont herzlich. Im Hintergrund knirscht es aber weiter gewaltig zwischen den beiden. Ein Europa, das Berlin und Paris derzeit mehr trennt, als dass es verbindet - dies musste als Rahmen der Feier gesehen werden

Paris. Warme Worte und Küsschen: Bei der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der deutsch-französischen Versöhnung gaben sich Kanzlerin Angela Merkel und Präsident François Hollande betont herzlich. Im Hintergrund knirscht es aber weiter gewaltig zwischen den beiden.Ein Europa, das Berlin und Paris derzeit mehr trennt, als dass es verbindet - dies musste als Rahmen der Feier gesehen werden. Ausgerechnet in einem Interview zum 50. Jahrestag der Versöhnung machte Hollande deutlich, dass er vom Kurs beider Länder abrücken will.

"Wir dürfen unsere Beziehung nicht wie ein Führungsgremium auffassen, das dafür sorgt, dass Frankreich und Deutschland alleine für Europa entscheiden", sagte er. Im Klartext: Merkel brauche gar nicht erst versuchen, ihn für deutsch-französische Alleingänge zu gewinnen.

Hollande übte Kritik am Kurs der deutsch-französischen EU-Politik unter dem Duo Merkel-Sarkozy. "Ich bin mir nicht sicher, ob es so gewollt (. . .) war, aber manchmal konnten sich bestimmte Länder ausgegrenzt fühlen oder sie waren gezwungen, einen Kompromiss zu akzeptieren, der bereits von unseren zwei Ländern ausgearbeitet war", sagte der Sozialist.

Für Merkel wird das keine Überraschung gewesen sein. Beim EU-Gipfel Ende Juni konnte jeder sehen, dass sich die Kanzlerin auf Hollande nicht so verlassen kann wie auf seinen Vorgänger Nicolas Sarkozy. Um seine Ziele zu erreichen, tat sich Hollande mit den EU-Südstaaten wie Spanien und Italien zusammen. Und er schritt nicht ein, als die Länder von Merkel Zugeständnisse bei EU-Hilfen erzwangen.

Gestern war von Spannungen freilich kaum etwas zu spüren. Seite an Seite feierten Merkel und Hollande in Reims die deutsch-französische Versöhnung und nahmen es locker, dass der Wind ihnen "Sturmfrisuren" machte. Vor der traditionsreichen Kathedrale gab es Küsschen à la française, warme Worte und Autogramme für die trotz Schauerwetters gekommenen Schaulustigen. Die deutsch-französische Freundschaft könne nicht vererbt werden, sondern müsse mit jeder Generation erneuert werden, sagte Hollande. Merkel schloss auf Französisch mit den Worten: "Es lebe die deutsch-französische Freundschaft."

Der Ort des Treffens war symbolträchtig. Am 7. Mai 1945 unterzeichnete die deutsche Wehrmacht in der im Ersten Weltkrieg schwer zerstörten Stadt die bedingungslose Kapitulation im Zweiten Weltkrieg. Am 8. Juli 1962 feierten dann Charles de Gaulle und Konrad Adenauer in der Kathedrale gemeinsam eine "Versöhnungsmesse". Die Begegnung der Staatsmänner mündete wenige Monate später in den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, der bis heute den Rahmen für eine nie da gewesene Zusammenarbeit bildet.

Zum 50. Jahrestag warnte nun der Erzbischof die Staatslenker vor einem zu leichtfertigen Umgang mit dem Erbe ihrer Vorgänger. "Die Herausforderung, die uns jetzt bevorsteht, betrifft nicht nur Frankreich und Deutschland, sondern auch Europa und die Rolle Europas in der Gemeinschaft der Nationen", sagte Thierry Jordan auf Deutsch in der Kathedrale. Andächtig lauschten Merkel und Hollande anschließend dem Schlusssatz der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach. "Eine neue Zeit kann beginnen", hatte Erzbischof Thierry Jordan zu diesem Stück gesagt. "In diesem Musiksatz ist alles friedlich." Ob das Treffen in Reims eine neue Ära in den Beziehungen zwischen Berlin und Paris einleitet, scheint fraglich. "Hollande und Merkel spielen Versöhnung", hatte die Zeitung "Le Figaro" am Samstag zu dem Treffen getitelt.

Eine gewisse Symbolik konnte schließlich auch in der Dauer des Treffens gesehen werden. Während Adenauer 1962 fast eine ganze Woche in Frankreich verbrachte, kam Angela Merkel gestern für gerade mal vier Stunden. Die Idee für einen zunächst angedachten deutsch-französischen Gipfel im Anschluss an das Mittagessen wurde fallengelassen. Für Merkel steht heute eine offizielle Reise nach Indonesien an und sie musste zuvor zurück nach Berlin. Es gilt, Prioritäten zu setzen.

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