Merkel bei Trump Ein Arbeitsbesuch in schwierigen Zeiten

Berlin · Kanzlerin Merkel ist zu Gast bei US-Präsident Trump – in einem höchst angespannten Umfeld. Nicht nur wegen der drohenden Strafzölle.

Der zweite Besuch von Angela Merkel bei Donald Trump dürfte geschäftsmäßig ablaufen: Begrüßung durch den US-Präsidenten, vertrauliches Gespräch im Oval Office, Mittagessen, Pressekonferenz. Rein und wieder raus aus dem Weißen Haus – in zweieinhalb Stunden. Verglichen mit der jüngst ausgiebig zelebrierten Männerfreundschaft zwischen Trump und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bekommt die Kanzlerin heute in Washington einen Empfang zweiter Klasse. Das passt ins Bild einer äußerst heiklen Mission, zu der die Kanzlerin gestern Nachmittag abgeflogen ist.

Die Krisen um Syrien, Russland und den Iran haben sich verschärft. Dazu kommt Trumps Groll über deutsche Exportüberschüsse und Verteidigungsausgaben. Das amerikanisch-deutsche Verhältnis ist auf einem Tiefpunkt. Und gestern kochte auch der drohende Handelskrieg noch mal hoch.

Am 1. Mai endet Trumps vorübergehende Schonfrist für EU-Länder bei Strafzöllen auf Stahl und Aluminium. Sie glaube nicht mehr an ein Einlenken der USA, erklärte die Bundesregierung gestern kurz vor Merkels Abflug. Stattdessen schlage man neue Verhandlungen über das gesamte Paket Industriezölle vor. Merkel wird das ansprechen – ebenso die anderen heiklen Themen.

Berlin bestreitet, dass das schmale Programm des „Arbeitsbesuchs“ auf das transatlantische Verhältnis schließen lasse. „Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind enge Verbündete“, heißt es. Auch in Sachen Zölle bleibe das Ziel „eine europäisch-amerikanische Verhandlungslösung“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). Eine Spirale aus Zöllen gelte es indes zu verhindern.

Klar ist jedoch, dass der sprunghafte US-Präsident und die pragmatische Kanzlerin noch keinen persönlichen Draht zueinander gefunden haben. Andererseits dürfte Merkel auf die großen Gesten gerne verzichten – schließlich bereiteten zwischen ihr und Trump schon die kleinen Gesten Probleme. Vom letzten Merkel-Besuch in Washington ist vor allem hängen geblieben, dass der US-Präsident ihr vor den Kameras nicht die Hand gab. Wangenküsse und Pomp sind in der US-Hauptstadt wohl Macron vorbehalten. Merkel will ihre Besuchszeit vielmehr nutzen, um Trump zur Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse zu bewegen.

Trotz aller Meinungsverschiedenheiten hat Merkel die Hoffnung auf eine Partnerschaft mit Washington noch nicht aufgegeben. Die Reise kurz nach ihrer Wiederwahl sei ihr ein „wirkliches Bedürfnis“, begründete sie den Kurztrip. „Das transatlantische Bündnis ist angesichts vieler nicht demokratischer Entwicklungen auf dieser Welt ein großer Schatz, den ich jedenfalls auch hegen und pflegen möchte.“

Nach Monaten des Stillstands in Berlin ist er zumindest ein erster wichtiger Zwischenschritt, mit dem sich Merkel auf der Weltbühne zurückmeldet. Gut ein Jahr war die Kanzlerin, die lange auch in den USA als mächtigste Frau der Welt galt, außenpolitisch so gut wie gelähmt. Und selbst wenn Merkel am Samstag ohne konkrete Ergebnisse wieder in Berlin landet – ein Erfolg dürfte es für sie schon sein, wenn sie den unberechenbaren Amerikaner zum Nachdenken über seine Entscheidungen bewegen konnte.

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