Ein Abschied auf Raten?

Berlin · 15 Milliarden Euro kassierte der Bund 2014 aus dem „Soli“. Der Zuschlag soll nach dem Willen der Spitzen von CDU und CSU ab 2020 schrittweise abgebaut werden. Das dürfte nur den wenigsten Ländern passen.

Neuer Streit in der großen Koalition: Der Solidaritätszuschlag soll von 2020 an schrittweise abgebaut werden. Darauf haben sich die Spitzen der Union verständigt. Dies sei eine "denkbare Variante", versuchte eine Regierungssprecherin die Sache gestern zu relativieren. Die SPD zeigte sich von dem Vorstoß wenig angetan.

Der "Soli" ist ein politischer Dauerbrenner. Vor nunmehr fast einem Vierteljahrhundert wurde er eingeführt. Und beinah genauso lange wird auch schon über sein Auslaufen debattiert. Die FDP setzte zu Zeiten der Regierung unter Helmut Kohl (CDU ) immerhin eine Senkung der Abgabe durch. Doch dabei ist es bis heute geblieben. Technisch gesehen ist der "Soli" ein Zuschlag von 5,5 Prozent auf die Lohn- und Einkommensteuer . Auch auf die Kapitalertrags- und die Körperschaftsteuer wird er fällig. Politische Gründe für seine Einführung im Jahr 1991 waren die hohen Kosten des Golfkrieges und der deutschen Einheit. Tatsächlich floss das Geld allerdings nie zweckgebunden in den Osten, sondern stets in den allgemeinen Bundeshaushalt. Deshalb kann die Bundesregierung auch ohne die Zustimmung der Länder entscheiden, was mit der Abgabe künftig geschieht.

Bei den laufenden Verhandlungen über die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, die durch das planmäßige Auslaufen des so genannten Solidarpaktes für die neuen Länder im Jahr 2019 nötig wurden, war man sich aber schon darüber einig geworden, auf das Geld aus dem "Soli" auch nach 2020 nicht verzichten zu können. Darüber hatten die Ministerpräsidenten der Länder im vergangenen Jahr sogar einen einstimmigen Beschluss gefasst. Gegenwärtig bringt der Soli etwa 15 Milliarden Euro pro Jahr. 2019 könnten es sogar 20 Milliarden Euro sein. Allerdings ist Bayern nun aus der Länderfront ausgeschert, denn die Festlegung auf eine schrittweise Abschmelzung des Zuschlags ist von Kanzlerin Angela Merkel, im "Nebenjob" auch CDU-Chefin, sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer gemeinsam verabredet worden. Dabei hatte Schäuble noch im vergangenen Jahr selbst vorgeschlagen, den Soli ab 2020 in die Einkommensteuer zu integrieren, sein Aufkommen also zu erhalten, wovon auch die Länder profitiert hätten.

Der überraschende Sinneswandel der Union kam bei der SPD gestern schlecht an. Immerhin stellt sie neun von 16 Ministerpräsidenten . Parteichef Sigmar Gabriel zeigte sich von der "180-Grad-Kehrtwende" irritiert. Sein Vize, Thorsten Schäfer-Gümbel, sprach von "bemerkenswerten Volten" und stellte klar: "Einfach mal eben den Soli abschaffen ohne einen Vorschlag, wie marode Straßen und Schulen saniert werden können, ist mit der SPD nicht zu machen". Auch Vorstandsmitglied Joachim Poß , reagierte sauer: "Bisher war es Konsens in der Koalition, dass der Staat auf die Einahmen aus dem Soli schon wegen der wachsenden staatlichen Aufgaben durch den demographischen Wandel nicht verzichten kann", sagte er unserer Zeitung. Wenn die Union das nun anders sehe, "dann unterstellt sie eine Art Ewigkeitsgarantie für eine gut florierende Wirtschaft in Deutschland", so Poß. Doch die gebe es nicht.

Hintergrund für den Richtungswechsel der Union ist offenbar die Befürchtung, dass das Bundesverfassungsgericht die Abgabe kippen könnte. Außerdem gilt es als schwierig, den Soli aufkommensneutral, also ohne Mehrbelastung für jeden einzelnen Steuerzahler in die Einkommensteuertabelle zu überführen. Die Union will aber unbedingt an ihrem Versprechen festhalten, die Steuern nicht zu erhöhen. Ursprünglich wollten sich Bund und Länder schon Ende 2014 auf ein Konzept zur Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen einigen. Nun soll eine Lösung dafür bis zum Juni gefunden werden, wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums gestern erklärte. Mit der neuen Idee einer schrittweisen Abschaffung des "Soli" könnte jedoch auch dieser Fahrplan gefährdet sein. "Die Festlegung der Unionsführung macht die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen nicht einfacher", meinte SPD-Mann Poß.

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