"Ein Abgeordneter ist kein Polizeibeamter"

Karlsruhe. Jörg Tauss (Foto: dpa)bleibt sich bei der Urteilsverkündung treu. Betont gelassen, mit skeptischem, bisweilen auch leicht spöttischem Blick folgt er den Ausführungen des Richters am Karlsruher Landgericht - so wie er es an den anderen Verhandlungstagen auch stets getan hat

Karlsruhe. Jörg Tauss (Foto: dpa)bleibt sich bei der Urteilsverkündung treu. Betont gelassen, mit skeptischem, bisweilen auch leicht spöttischem Blick folgt er den Ausführungen des Richters am Karlsruher Landgericht - so wie er es an den anderen Verhandlungstagen auch stets getan hat. Die Strafkammer entscheidet: Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete hat sich aus privatem Interesse Kinderpornos beschafft. Sie verurteilt ihn zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten. Von einer härteren Strafe, einer Bewährungs- oder Geldauflage sah das Gericht ab. "Der Angeklagte ist durch das Verfahren bestraft, und zwar bestraft genug", sagte Richter Udo Scholl. In dem Prozess ging es im Kern um die Frage, ob Tauss als Bundestagsabgeordneter eine Art Sonderrecht besaß. Als ehemaliger medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion hatte er sich als einer der ersten mit Internetthemen befasst und war zu einem Experten auf diesem Gebiet geworden. Der 56-Jährige hatte die Bilder und Videos aus seinem Handy und einigen DVDs stets damit erklärt, er habe die Kinderporno-Szene dienstlich kennenlernen wollen. Er habe beweisen wollen, dass sich die Kinderporno-Szene nicht mehr vorwiegend über das Internet austausche, sondern über Mobiltelefone. Später sagte Tauss auch, er habe mit seinen Recherchen einen Kinderporno-Ring hochgehen lassen wollen. Als Abgeordneter habe er ein dienstliches Interesse an dem Material gehabt - und sei auch überzeugt, das Recht auf Besitz der Dateien zu haben.

Das Gericht war jedoch anderer Meinung. "Die Kammer ist der Ansicht, dass er das, was er getan hat, nicht tun durfte", sagte Scholl und zählte Argumente auf: "Es gelten die gleichen Befugnisse für alle Abgeordneten. Diese Statusgleichheit verbietet Sonderrechte für einzelne Abgeordnete", sagte Scholl. "Ein Abgeordneter ist kein Polizeibeamter, der Verbrechen aufklären darf." Im Übrigen habe auch ein Abgeordneter nicht das Recht, sich verbotenes Material zu beschaffen.

"Der Angeklagte wusste, dass das, was er tat, verboten war, und dass für ihn keine Ausnahme galt", sagte Scholl. Kurz nach dem Urteil bedankte sich Tauss beim Gericht, dass es auch einige mildernde Umstände zu seinen Gunsten in Betracht gezogen habe. Die Frage, ob er die Pornos aus dienstlichem Interesse besessen habe, sei jedoch "eine reine Glaubwürdigkeitsfrage" gewesen, sagte Tauss. "Und der Richter hat mir nicht geglaubt." Es sei ein Urteil, "mit dem ich nicht leben kann und nicht leben mag". Er habe sich einen Freispruch erhofft. Der Fall Tauss kann womöglich noch nicht zu den Akten. Revision einzulegen, ist möglich - und Tauss hat dies auch vor.

Meinung

Kein Sonderrecht für Tauss

Von SZ-Korrespondent

Stefan Vetter

Als Medienexperte seiner Ex-Partei hatte sich Tauss vor Gericht stets auf eine Ausnahmevorschrift berufen, wonach der Besitz kinderpornografischen Materials im Rahmen dienstlicher oder beruflicher Pflichten nicht unter Strafe steht. Doch warum wurden dann sämtliche Beweisstücke außerhalb seiner Diensträume gefunden? Wenn Tauss vorgibt, in der einschlägigen Szene recherchiert zu haben, um einen Kinderporno-Ring dingfest zu machen, dann ist das so, als würde die Bundesdrogenbeauftragte Heroin ankaufen, um damit in der Rauschgift-Szene auf Verbrecherjagd zu gehen. Die Verfolgung von Kinderpornografie ist Sache der Behörden. Und dabei muss es auch bleiben.

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