Dunkle Wolken über Bochumer Opel-WerkNoch 40 000 Opelaner in Europa

Bochum. In der Haut eines Bochumer Opelaners möchte in diesen Tagen keiner stecken: Rund 3000 Beschäftigte des Werkes zittern seit Monaten um ihre Arbeitsplätze. Es ist wie ein Tod auf Raten: Scheibchenweise rückt das Management mit den Plänen heraus, den Standort am Ende nicht mehr fortzuführen

Bochum. In der Haut eines Bochumer Opelaners möchte in diesen Tagen keiner stecken: Rund 3000 Beschäftigte des Werkes zittern seit Monaten um ihre Arbeitsplätze. Es ist wie ein Tod auf Raten: Scheibchenweise rückt das Management mit den Plänen heraus, den Standort am Ende nicht mehr fortzuführen. "Für das Opel-Werk Bochum ist nach dem Auslaufen des aktuellen Zafira Tourer - vorbehaltlich weiterer Konsultationen - kein neues Produkt geplant", ließ die Adam Opel AG vor wenigen Wochen die Beschäftigten wissen. Und Däumchendrehen dürfte keine Alternative sein.

Heute will die Belegschaft auf einer Versammlung über die Perspektiven des Standortes, das Ende des Getriebewerkes 2013 sowie die Sicherung des Werkes nach 2016 beraten. Rainer Einenkel, Betriebsratschef des Werkes Bochum, blickt düster in die Zukunft: "Die Lage war noch nie so ernst wie heute." Nach seiner Einschätzung ist die Geschäftsleitung nicht mehr gewillt, über andere Lösungen als die Schließung nachzudenken. Die Geschäftsführung hielt sich am Wochenende mit Stellungnahmen zurück. Neuigkeiten, wenn es sie denn gebe, sollten zuerst die Beschäftigten erfahren, sagte ein Sprecher.

Die Opel-Belegschaft fordert vom Vorstand seit Monaten, dass dieser an einer langfristigen Perspektive für das Bochumer Werk und damit den Erhalt der Arbeitsplätze mitarbeitet. Auch die IG Metall in Nordrhein-Westfalen hatte in den vergangenen Wochen immer wieder darauf hingewiesen. In einem Interview verdeutlichte der neue Bezirksleiter in NRW, Knut Giesler, vor wenigen Wochen, dass das Opel-Werk in Bochum noch Chancen hat. Allerdings werde es immer schwieriger, räumte er ein. Die Lage ist tatsächlich vertrackt: Fast alle Autohersteller in Europa stecken schwer in der Bredouille - nicht nur Opel. Die Absatzkrise legt die eklatanten Überkapazitäten in der Branche offen. Sparen, Werksschließungen und Neuordnung der Produktionsstandorte sind an der Tagesordnung. Ford Europe hatte bereits die Schließung von Werken in Belgien und Großbritannien angekündigt. Eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC zufolge sind aktuell 15 Automobilwerke so schwach ausgelastet, dass die Hersteller sie auf den Prüfstand setzen müssten. Die Kapazitäten dieser Werke würden auf mittlere Sicht höchstens zu 50 Prozent ausgelastet. Aber erst mit 75 Prozent werde die Gewinnschwelle erreicht.

Für Westeuropa erwartet der Verband der Automobilindustrie in diesem Jahr einen Absatzrückgang von neun Prozent und im kommenden Jahr noch einmal um drei Prozent. Betroffen von dieser Entwicklung sind besonders PSA Peugeot-Citroen, Renault und Fiat. Aber auch Ford und Opel gehören dazu. Es wächst der Druck, Überkapazitäten abzubauen, Arbeitsplätze zu streichen und Werke zu schließen.

Opel werde künftig mit weniger Personal leben müssen, kündigte der Vize-Chef der Konzernmutter General Motors, Steve Girsky im November an. Seit Jahren erwirtschaftet das Unternehmen in Europa rote Zahlen. Nach dem Zehn-Jahres-Plan "Drive Opel 2022" sollen die Fixkosten in diesem Jahr um 300 Millionen Dollar (230 Millionen Euro) und bis 2015 um weitere 500 Millionen Dollar gesenkt werden. Bis dahin will GM in Europa endlich in die Gewinnzone fahren.

Der Stellenabbau ist keineswegs eine neue Entwicklung: In diesem Jahr sollen 2600 Arbeitsplätze in allen europäischen Opel-Werken gestrichen werden. Mit der geplanten Schließung des Getriebewerkes in Bochum 2013 fallen dort 300 Arbeitsplätze dem Rotstift zum Opfer. Bislang werden die Einsparungen über Sozialpläne, Fluktuationen und Abfindungen umgesetzt. Vor betriebsbedingten Kündigungen sind die vier deutschen Opel-Werke bis 2014 noch geschützt. Was danach kommt, ist offen.Düsseldorf. Mit rund 40 000 Beschäftigten und mehr als 1,2 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr 2011 ist Opel trotz der anhaltenden Probleme noch immer einer der größten Autokonzerne Europas. Allein in Deutschland beschäftigt der Konzern 150 Jahre nach seiner Gründung rund 22 000 Mitarbeiter. Wichtigster Konzernstandort ist der Firmensitz in Rüsselsheim mit rund 14 000 Beschäftigten. Hier befindet sich nicht nur die Unternehmenszentrale, sondern auch das Entwicklungszentrum mit über 7000 Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und Technikern. Es ist das größte Entwicklungszentrum des Mutterkonzerns General Motors außerhalb Nordamerikas. Im Fertigungswerk in Rüsselsheim produzieren rund 3500 Beschäftigte die Modelle Insignia und Astra.

Als besonders von Stilllegung bedroht gilt seit langer Zeit das Opel-Werk in Bochum, wo derzeit noch 3000 Mitarbeiter den Kompaktvan Zafira bauen. Es wurde bereits 1962 errichtet und gilt zumindest in Teilen als veraltet. Außerdem sprechen nach Einschätzung von Experten die vergleichsweise hohen Lohn- und Energiekosten gegen das Werk. Im Opel-Werk in Eisenach produzieren rund 1600 Mitarbeiter den Kleinwagen Corsa. Am Standort Kaiserslautern stellt der Konzern mit rund 2700 Beschäftigten darüber hinaus Motoren und Fahrzeugkomponenten her. dapd

Meinung

Keine Hoffnung für Bochum

Von SZ-Redakteur

Thomas Sponticcia

 Die Opel-Mitarbeiter in Bochum bangen mehr denn je um ihre Arbeitsplätze. Foto: Weihrauch/dpa

Die Opel-Mitarbeiter in Bochum bangen mehr denn je um ihre Arbeitsplätze. Foto: Weihrauch/dpa

 Die Opel-Mitarbeiter in Bochum bangen mehr denn je um ihre Arbeitsplätze. Foto: Weihrauch/dpa

Die Opel-Mitarbeiter in Bochum bangen mehr denn je um ihre Arbeitsplätze. Foto: Weihrauch/dpa

Das Opel-Werk in Bochum wird geschlossen. Aus mehreren Gründen. Nach 2016 will das Management dort keine neuen Modelle produzieren. Schon diese Perspektivlosigkeit gibt dem Werk den Todesstoß. Auch ist es Opel über viele Jahre nicht gelungen, so attraktive Autos zu produzieren, dass die Konkurrenz das Nachsehen hat. Vom Insignia vielleicht mal abgesehen. Ein überzeugendes Modell reicht aber nicht, zumal die Nachfrage nach Autos generell schrumpft. Besonders bedenklich ist, dass die strategischen Entscheidungen, wie auch bei Ford, nicht in Deutschland, sondern in Amerika fallen. Anders als bei Opel verfügt Ford jedoch über einige attraktive Modellgenerationen. Das sorgt auch dafür, dass das Ford-Werk Saarlouis, in dem der erfolgreiche Focus produziert wird, im Gegensatz zu Bochum wohl nicht in Bedrängnis gerät.

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