Dresdner fürchten um das Abendland
Dresden · Mit Deutschlandfahnen und dem Ruf „Wir sind das Volk“ demonstrieren in Dresden Tausende gegen eine vermeintliche Islamisierung Deutschlands. Den Organisatoren geht es vorgeblich um die Verteidigung des Abendlandes. Die Politik reagiert hilflos.
Keine Moschee weit und breit. Dennoch scheint in Dresden die Gefahr einer Islamisierung für viele Bürger real zu sein. Zumindest gehen seit Wochen Tausende auf die Straße, um gegen die aus ihrer Sicht zu liberale Asylpolitik zu demonstrieren. Den Organisatoren geht es vorgeblich um die Verteidigung des Abendlandes.
Was im Oktober mit 200 Sympathisanten begann, ist inzwischen stark angeschwollen. Am Montagabend kamen laut Polizei rund 7500 Menschen zum "Abendspaziergang" des Bündnisses "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" - kurz "Pegida". Doch auch der Widerstand gegen die selbst ernannten Patrioten wächst. Mehr als 1000 Gegendemonstranten blockierten die Marschroute des Protestzuges.
Damit ist das Problem freilich nicht gelöst. Seit Tagen mahnen Politiker in Sachsen, dass man die Sorgen der Menschen ernst nehmen müsse. Genau das ist der Punkt, an dem "Pegida"-Chef Lutz Bachmann ansetzt. Der 41-Jährige glaubt nicht daran, dass Politiker den Menschen zuhören. Deshalb versucht er, den in der Wendezeit geprägten Ruf "Wir sind das Volk" für eigene Zwecke zu nutzen. Vieles klingt bei "Pegida" nach Verschwörungstheorie. Das Vertrauen in Medien geht gegen Null. "Die verdrehen einem doch nur das Wort im Munde", sagt eine Frau, nach dem Grund ihrer Teilnahme gefragt.
Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden , sorgt sich nicht um eine Islamisierung des Abendlandes, sondern vielmehr um den Ruf der Stadt Dresden . Die "Pegida"-Demonstrationen behinderten Aktivitäten für ein weltoffenes und tolerantes Dresden , warnte er. In der Welt entstehe so ein Bild, "das in erster Linie abschreckt, unsere Stadt als ausländerfeindlich darstellt und an die vergangen geglaubten Aufmärsche der Neonazis erinnert".
Die Forderungen von "Pegida" sind ein buntes Sammelsurium. Auch Pressefreiheit und Meinungsfreiheit werden eingefordert, als dürften die Demonstranten nicht seit Wochen durch die Stadt ziehen. Bachmann beteuert immer wieder, dass man nicht gegen Flüchtlinge oder gegen Ausländer im Allgemeinen sei. Auch am Asylrecht sei nichts auszusetzen - sofern es Menschen aus Kriegsregionen gewährt werde. Doch wo ist die Grenze? "Wirtschaftsflüchtlinge" will man nicht. Viele Sprüche der "Pegida"-Leute überschreiten Grenzen: "Bitte weiterflüchten" heißt es zynisch auf einem Plakat. Auch die rechtsextreme NPD läuft bei den Aufmärschen mit.
Die Regierung hielt sich bisher mit Einschätzungen zurück und warb für mehr Toleranz. Lediglich Innenminister Markus Ulbig (CDU ) sprach Klartext und nannte die Organisatoren der Demos "Rattenfänger".