Sondierungsgespräche Drei, zwei, eins: Der Weg nach „Jamaika“ beginnt

Berlin · Endlich starten die Gespräche für eine schwarz-gelb-grüne Regierungsbildung in Berlin. Wann sie enden, steht noch in den Sternen.

 Bis es in Berlin zu einem „Jamaika“-Handschlag, also einer Einigung zwischen Union, FDP und Grünen kommt, dürften Wochen ins Land gehen.

Bis es in Berlin zu einem „Jamaika“-Handschlag, also einer Einigung zwischen Union, FDP und Grünen kommt, dürften Wochen ins Land gehen.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Der Himmel war grau und es regnete heftig, als die Delegationen von Union und Grünen in der ehrwürdigen „Parlamentarischen Gesellschaft“, dem vormaligen Reichstagspräsidentenpalais in Berlin eintrafen. Wegen des schlechten Wetters hatten die Abgesandten von CDU und CSU einen Schleichweg genommen, derweil die Grünen der Feuchtigkeit trotzten und zur Freude der Fotografen den Haupt­eingang benutzten. So war das im Oktober vor vier Jahren beim Auftakt der Sondierungsgespräche für eine neue Bundesregierung. Wie man weiß, ist aus Schwarz-Grün damals nichts geworden. Schon nach der zweiten Verhandlungsrunde war dieses Farbenspiel vom Tisch. Von heute an ist der prachtvolle Bau gegenüber dem Osteingang des Reichstags wieder Schauplatz für einen großen Aufgalopp potenzieller Koalitionspartner. Zu den Vertretern von Union und Grünen kommen diesmal noch diejenigen der FDP hinzu. Aber brav nacheinander. Heute gibt es zunächst nur Vorgespräche, um abzuklopfen, ob überhaupt etwas geht. Die echten Sondierungen für ein mögliches Jamaika-Bündnis starten dann am Freitag. Immerhin: Anders als im Herbst 2013 haben alle Beteiligten schon mal den Wettergott auf ihrer Seite. Für die Hauptstadt sind gut 20 Grad, Sonne satt und blauer Himmel angesagt.

Im „Salon Berlin“ des exklusiven Clubs, in dem nur Abgeordnete, Diplomaten und ihre Gäste Zutritt haben, werden sich heute zunächst zehn Unionsleute und acht Frei­demokraten versammeln. Darunter die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Christian Lindner (FDP) sowie die Spitzen der Fraktionen . Beginn ist 12 Uhr. Für 16.30 Uhr ist dann ein Treffen der Unionisten mit sechs Vertretern der Grünen geplant. Darunter die Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir. Jeweils zwei bis drei Stunden sollen die Gespräche dauern. Am morgigen Donnerstag um 13 Uhr steht dann eine separate Runde von FDP und Grünen auf dem Programm. Damit endet das gegenseitige Beschnuppern.

Wenn übermorgen dann die eigentliche Sondierung beginnt, wird deutlich mehr Personal am Tisch sitzen. CDU und CSU wollen dem Vernehmen nach gleich mit 30 Damen und Herren anrücken und die Grünen mit 14. Nur die FDP beabsichtigt einstweilen keine personelle Aufstockung. Trotzdem ist dann ein größerer Raum erforderlich: Stattfinden soll die erste Sondierungsrunde im sogenannten Kaisersaal der „Parlamentarischen Gesellschaft“.

Dafür bringen sich die potenziellen Jamaikaner heute und morgen gewissermaßen auf Betriebstemperatur. Gleichwohl dürften bei den ersten Unterredungen nicht nur Artigkeiten ausgetauscht werden. Unterstützt doch Kanzlerin Merkel den Wunsch der Grünen, bereits die Ergebnisse der Sondierungen in einem Papier zusammenzufassen. Vor diesem Hintergrund könnte es schon in dieser Woche um inhaltliche Schmerzpunkte gehen. Politische Reibungspunkte gibt es zuhauf. So will sich die CSU dem Vernehmen nach insbesondere bei der inneren Sicherheit und der Sozialpolitik profilieren, um AfD-Wähler zurückzugewinnen. Die FDP pocht auf die Abschaffung des Solidarzuschlags und des verfassungsrechtlichen Kooperationsverbots im Bildungsbereich. Und die Grünen haben zum Teil grundsätzlich andere Vorstellungen in der Flüchtlingspolitik als Union und Liberale zusammen. Hinzu kommen erste personelle Ränkespiele. FDP-Chef Lindner etwa machte gestern seine Aversion gegen einen neuen Finanzminister mit CDU-Parteibuch deutlich. Einer gedeihlichen Gesprächsatmosphäre dürfte das kaum gedient haben.

 18SZ-Warten_auf_die_Regierung-2sp.pdf

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Foto: SZ/Müller, Astrid
 So startete Jamaika im Saarland: 2009 besiegelten die damaligen Grünen-Chefs Hubert Ulrich und Claudia Willger (v.l.) den Koalitionsvertrag mit CDU-Ministerpräsident Peter Müller und FDP-Chef Christoph Hartmann.

So startete Jamaika im Saarland: 2009 besiegelten die damaligen Grünen-Chefs Hubert Ulrich und Claudia Willger (v.l.) den Koalitionsvertrag mit CDU-Ministerpräsident Peter Müller und FDP-Chef Christoph Hartmann.

Foto: BeckerBredel/bub

Auch außerhalb des Reichstages sind die Wunschzettel an eine mögliche Jamaika-Koalition lang: Die Frauen Union (FU) forderte gestern klare Entlastungen für Familien, die Gewerkschaft Verdi ein Bundesweiterbildungsgesetz und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes eine Reform für bezahlbares Wohnen. Bis über solche Feinheiten politische Klarheit herrscht, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Merkel rechnet allein für die Sondierungsgespräche mit „mehreren Wochen“. Erst danach könnten Koalitionsverhandlungen starten.

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