Drängende Appelle an die Kanzlerin

Brüssel. Sie haben gedroht und den Untergang Europas in drastischen Farben ausgemalt - wenn die 27 Staats- und Regierungschefs heute Abend am Runden Tisch zum EU-Gipfel Platz nehmen, geht es tatsächlich um mehr als sonst. "Wir brauchen eure Hilfe", hatte Spaniens Premier Mariano Rajoy gestern noch einmal gefleht. "Sonst können wir es nicht schaffen

Brüssel. Sie haben gedroht und den Untergang Europas in drastischen Farben ausgemalt - wenn die 27 Staats- und Regierungschefs heute Abend am Runden Tisch zum EU-Gipfel Platz nehmen, geht es tatsächlich um mehr als sonst. "Wir brauchen eure Hilfe", hatte Spaniens Premier Mariano Rajoy gestern noch einmal gefleht. "Sonst können wir es nicht schaffen." 7,5 Prozent Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen, alle anderen waren da längst in den Rettungsschirm gefallen. Der italienischen Ministerpräsident Mario Monti schickte sogar noch ein Schreiben nach Berlin, in dem er mit einem "ungewissen Ende" seiner Regierung drohte, wenn die Märkte weiter gegen Italien spekulieren. Notfalls müsse das Gipfeltreffen bis Sonntag verlängert werden. Doch die Bundeskanzlerin muss morgen um 17 Uhr wieder im Bundestag sein, um den dauerhaften ESM-Krisenfonds durchzubringen.Alle gegen Merkel - das scheint die "Schlachtordnung" zu sein, wenn sich die 27 Chefs heute um 17 Uhr an den Runden Tisch in Brüssel setzen. Alles dreht sich um die Frage, ob Deutschland am Ende nicht doch wenigstens einem Einstieg in eine Schulden- und Haftungsunion zustimmt - also seine Kreditwürdigkeit in die Waagschale wirft, um die gefährlich hohen Zinsen an den Märkten für Italien, Spanien, Griechenland und Portugal zu senken. Die deutlichen Worte der Kanzlerin - "Mit mir wird es keine Euro-Bonds geben, solange ich lebe" - wurden mit Kopfschütteln aufgenommen. Dabei steht Merkel keineswegs alleine. Österreich, Finnland und die Niederlande unterstützen ihren strikten Kurs. Auch sie lehnen Euro-Bonds, eine Haftungsunion und die Vergemeinschaftung von Schulden ab.

Ihnen gegenüber steht die "Süd-Allianz" der EU aus Italien, Spanien, Griechenland und Portugal, die Verstärkung durch den französischen Präsidenten François Hollande bekommt. Und die auch von den Präsidenten der drei EU-Institutionen sowie der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, unterstützt wird. Eine mächtige Allianz. Schließlich hatte gerade Lagarde mit ihrem Sechs-Punkte-Plan für einen Einstieg in eine Fiskalunion für viel Zustimmung gesorgt.

Tatsächlich gibt es wohl nur eine Lösung, die rasch für Entlastung sorgen könnte: die Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie des bisherigen und künftigen Rettungsschirms. Vor allem der Club-Med der Schuldensünder drängt darauf, dass die Euro-Hilfsfonds in Luxemburg rasch direkte Hilfen für Banken vergeben können. Außerdem sollen EFSF und ESM, vor allem aber die EZB verstärkt Anleihen überschuldeter Regierungen aufkaufen dürfen, was einer milliardenschwere Finanzspritze gleich käme, die zu deutlich niedrigeren Zinsen führen könnte. Dass Merkel und ihre Unterstützer auch dagegen sind, hat seinen Grund. Schließlich sind solche Geschäfte der Euro-Bank in Frankfurt de facto nichts anderes als ein Einstieg in die Vergemeinschaftung von Schulden.

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