Donald Trump dreht den Spieß um

Washington · Er hat es angekündigt, er macht es wahr: Im zweiten TV-Duell holt Donald Trump alle möglichen Skandale aus der Versenkung. Clinton kann sich nicht deutlich genug absetzen. Dabei galt der Republikaner schon als erledigt.

Ganz zum Schluss, als jemand aus dem Publikum fragt, ob man nicht doch etwas Positives über den jeweils anderen zu sagen habe, gibt es noch einen kleinen Überraschungseffekt. Sie respektiere Donald Trumps Kinder, antwortet Hillary Clinton , das seien fähige und fleißige Menschen, und das sage ja auch etwas über Donald. Er schätze das Durchhaltevermögen seiner Kontrahentin, ringt sich der Unternehmer lobende Worte über die Frau ab, der er sonst immer vorwirft, nicht über die nötige Ausdauer fürs Präsidentenamt zu verfügen. "Sie wirft nicht hin, sie gibt nicht auf. Sie ist eine Kämpferin."

Was für eine Heuchelei: Vorausgegangen war das giftigste, bissigste Wortduell der jüngeren Politikgeschichte der USA. Es ging derart aggressiv zur Sache, dass Kommentatoren hinterher schrieben, einen solchen Schlagabtausch zwischen zwei Bewerbern fürs Weiße Haus habe das Land seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr erlebt. Es beginnt damit, dass beide einander den Handschlag verweigern. Und dass Trump, nach ein paar Sätzen der Pseudo-Reue, zur Attacke bläst. Wer mit Demut gerechnet hatte nach dem Skandalvideo, in dem er sich damit brüstete, Frauen als Star ungestraft zwischen die Beine greifen zu können, sieht sich getäuscht.

Er sei nicht stolz auf diese Worte, räumt der Immobilienmogul ein. Nur sei das eben, vor elf Jahren beim Smalltalk mit dem Entertainment-Reporter Billy Bush, loses Gerede unter Männern gewesen. Im Übrigen habe niemand größeren Respekt vor Frauen als er. Dann startet er ein Ablenkungsmanöver, indem er vom "Islamischen Staat" zu reden beginnt: Der barbarischen Terrormiliz werde er mit einer Härte begegnen, zu der seine Rivalin niemals fähig wäre.

Außerdem, dreht Trump den Spieß um, habe sich Bill Clinton viel Schlimmeres geleistet als er. "Bei mir geht es um Worte, bei ihm waren es Taten." In der Politikgeschichte der US-Nation habe es keinen gegeben, der Frauen derart misshandelt habe wie der Ex-Präsident. Hillary Clinton kontert, indem sie Michelle Obama , die aktuelle First Lady, zitiert: Wenn der Gegner Schläge unter die Gürtellinie lande, bleibe man auf moralisch höherem Grund. Das Video aus dem Jahr 2005 zeige alles andere als einen Ausrutscher. "Er sagt, das Video gibt nicht wieder, wer er in Wahrheit ist. Ich denke, dass es exakt wiedergibt, wer er ist." Ein Kandidat, der Frauen, Muslime, Latinos oder Körperbehinderte herabwürdige. Auch mit früheren republikanischen Präsidentschaftsbewerbern, fügt die Ex-Außenministerin hinzu, habe sie nicht übereingestimmt, nur sei es dabei um Inhalte gegangen. Nie habe sie bezweifelt, dass sie in der Lage wären, das höchste Staatsamt auszuüben. "Bei Donald Trump ist das anders."

Beim Duell in St. Louis ist es vor allem der Immobilienmogul, der die heftigen Attacken reitet. Er behauptet, Clinton habe Hass im Herzen, weil sie die Hälfte seiner Anhänger im kleinen Kreis als bedauernswerte Gestalten charakterisierte. Er wiederholt sein Leitmotiv, wonach sie nach 30 Jahren in der Politik für eingefahrene Gleise stehe, während er den Wandel verkörpere. "Sie macht nichts anderes, als immer nur zu reden. Nur Gerede und keine Taten." Schließlich droht er ihr mit einem Sonderermittler, der ihre E-Mail-Affäre noch mal durchleuchten werde, sollte er, Donald J. Trump, einst im Oval Office sitzen. Als Clinton kühl erwidert, es sei gut zu wissen, dass jemand mit dem aufbrausenden Temperament eines Donald Trump nicht für das Recht in den USA zuständig sei, als sie auf die Gewaltenteilung der Demokratie verweist, antwortet er mit einem hässlichen Satz. "Weil Sie dann im Gefängnis säßen."

Inhaltliches kommt viel zu kurz, es ist ein reines Spektakel, "eine düstere, bittere Konfrontation", wie die "Washington Post" am nächsten Morgen titelt. Trump, so der Tenor, hat es mit seiner offensiven Art zumindest geschafft, die Auflösungserscheinungen seiner Kampagne zu stoppen und seine Anhänger bei der Stange zu halten.

Zum Thema:

Hintergrund Viele prominente Republikaner rebellieren gegen ihren Kandidaten. Donald Trump in dieser Phase des Wahlkampfs auszutauschen ist aber fast unmöglich. Laut Regel 9 der Republikaner-Satzung kann ihn das "National Comitee" der Partei nur ersetzen, wenn er stirbt oder dahinsiecht. Auch könnte Trump aufgeben, was ausgeschlossen scheint. Hinzu kommt: Einem neuen Kandidaten fehlt wohl die Zeit, die formal notwendigen Unterschriften in den Staaten zu sammeln. dpa

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