Doch kein "Übergangspapst"

Rom. Benedikt XVI. hat sein Amt mit eigenem Stil geprägt, das ist nach sieben Jahren deutlich. Er hat neue Akzente gesetzt, für Überraschungen gesorgt, musste aber auch Pannen durchstehen. Obwohl seine physischen Kräfte nachlassen, absolviert er ein enormes Arbeitspensum, hält Reden und verfasst Schriften.Schon früh nach dem Konklave von 2005 ist Benedikt XVI

 Papst Benedikt XVI., hier während der Ostermesse im Petersdom, hält an seinem konservativen Kurs fest. Foto: Cremaschi/dpa

Papst Benedikt XVI., hier während der Ostermesse im Petersdom, hält an seinem konservativen Kurs fest. Foto: Cremaschi/dpa

Rom. Benedikt XVI. hat sein Amt mit eigenem Stil geprägt, das ist nach sieben Jahren deutlich. Er hat neue Akzente gesetzt, für Überraschungen gesorgt, musste aber auch Pannen durchstehen. Obwohl seine physischen Kräfte nachlassen, absolviert er ein enormes Arbeitspensum, hält Reden und verfasst Schriften.Schon früh nach dem Konklave von 2005 ist Benedikt XVI. aus dem Schatten des Vorgängers Johannes Paul II. getreten. Als dessen langjähriger Mitarbeiter setzt er die Linie seines Pontifikats über weite Strecken fort, akzentuiert aber manches anders. In die Debatte um das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hat er neue Elemente eingebracht: Es bilde keinen Bruch, sondern eine Etappe in der 2000-jährigen Kirchengeschichte.

Benedikt XVI. unternimmt Pastoralreisen in alle Welt. Er führt die Weltjugendtage weiter und lud - entgegen früherer Vorbehalte - zu einem interreligiösen Friedensgipfel nach Assisi ein. Verbessert hat er die Beziehungen mit Moskau. Gefestigt und ausgebaut hat Benedikt XVI. die interreligiösen Kontakte. Die Beziehungen zum Judentum sind so gefestigt, dass sie auch schweren Belastungen wie dem Skandal um den Holocaust-Leugner Richard Williamson standhalten. Auch das Verhältnis zum Islam, das nach der Regensburger Rede einen Einbruch erlebte, ist wieder stabiler.

Benedikt XVI. will nach der turbulenten Nachkonzilszeit wieder mehr Ruhe in die Kirche bringen. Aufbrüche und neue Ideen sollen ins Gesamtgeflecht der Kirche und ihrer Tradition eingeordnet werden. Wenn Gott schon einen Professor zum Papst gemacht habe, wollte er sicher, dass das Moment der Nachdenklichkeit in den Vordergrund komme, sagte er dem Publizisten Peter Seewald. Ein zentrales Programm die "Neuevangelisierung". Mit ihr will er den müde gewordenen Christen in Europa neuen Glauben-Elan vermitteln.

Benedikt XVI. ist nicht der Medienstar und Charismatiker wie Johannes Paul II. Der frühere Professor überzeugt durch die intellektuelle Auseinandersetzung. Er will die Gottesfrage inmitten einer "Diktatur des Relativismus" wieder in den Mittelpunkt rücken. Seine Reden vor Politikern und Akademikern in Paris, London, Berlin oder vor der Uno fanden Anerkennung.

2009 erlebte das Pontifikat einen Einbruch. Das Bemühen um einen neuen Dialog mit den Traditionalisten der Piusbruderschaft mündete infolge der Williamson-Affäre in einen medialen Gau. Die folgenden Missdeutungen, Entschuldigungen und Neustrukturierungen hinterließen Schrammen. Aber auch dieser Eklat führte zur Versachlichung einer - freilich kontroversen - Dialogrunde zwischen Rom und den Traditionalisten.

Noch dramatischer wirkte ein Jahr später der Missbrauchsskandal. Es dauerte Wochen, bis der Vatikan die seit 2001 geltende und durch Kardinal Ratzinger angestoßene Rechtslage und die kirchliche Praxis darlegen konnte. Seit Beginn des Jahres gibt es mit "Vatileaks" ein neues Problem. Die Weiterleitung vertraulicher Vatikan-Dokumente an die Medien ließ interne Spannungen an der Vatikanspitze erahnen.

Die Kritik geht an Benedikt XVI. nicht spurlos vorüber, hat aber keinen Einfluss auf seinen Kurs. Wenn der Vatikan derzeit weniger weltpolitischen Einfluss hat als unter Johannes Paul II., so entspricht das durchaus seiner Vision von einer entweltlichten Kirche, mit der er jüngst eine breite Debatte ausgelöste.

Mit seinem 85. Geburtstag gehört Benedikt XVI. zu den ältesten Päpsten der Kirchengeschichte. Doch auch wenn er mittlerweile einen Gehstock und für längere Wege ein fahrbares Podest nutzt, gilt ein Rücktritt als unwahrscheinlich. Vieles spricht stattdessen dafür, dass sein Pontifikat auch künftig prägende Kraft entfaltet.

Auf einen Blick

Nachdem Benedikt XVI. für Papst Johannes Paul II. 20 Jahre als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation einer der engsten Berater gewesen war, wurde Kardinal Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zu dessen Nachfolger gewählt. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils hatte der 1927 im bayerischen Marktl am Inn geborene Theologe als reformorientiert gegolten. Unter den Erfahrungen mit der Revolte der 68er-Generation wandelte der spätere Erzbischof von München und Freising sich zum konservativen Hüter der katholischen Tradition. Für Aufsehen während seines Pontifikats sorgte die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft, darunter des Holocaust-Leugners Richard Williamson. epd

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