Dobrindt hat alles unter Kontrolle

Berlin · Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat mit seinem umstrittenen Projekt einen wichtigen Etappensieg errungen: Trotz aller Kritik beschloss das Kabinett die Pkw-Maut. Der Koalitionspartner sieht jedoch noch ungeklärte Fragen.

Im Fußball spricht man von kontrollierter Offensive. Dabei hätte Alexander Dobrindt allen Grund zur beherzten Attacke. Das Bundeskabinett hat gestern seine Maut-Pläne beschlossen, die Zustimmung der Regierungsriege zu einem wichtigen Vorhaben ist auch für einen Minister immer noch etwas Besonderes. Doch Dobrindt lässt sich kein Triumphgeschrei entlocken. Der Verkehrsminister weiß: Es ist nur ein Etappensieg, den er bei der Pkw-Maut errungen hat. Zuviel Freude würde die zahlreichen Gegner des Projektes zusätzlich provozieren.

Sachlich und kontrolliert

Seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr ist vom alten Dobrindt sowieso nicht mehr viel übrig. Früher war er für die CSU ein Angreifer. Im Amt des Generalsekretärs grätschte er dorthin, wo es politischen Gegnern wie Freunden wehtat. Dafür hatte ihn CSU-Chef Horst Seehofer Anfang 2009, als den Oberbayern noch kaum jemand kannte, aus dem Hut gezaubert. Dafür nahm der 44-Jährige 20 Kilo ab. Heute sitzt er als Minister in seinen engen Anzügen vor der Presse und scheint jeden Atemzug genau zu durchdenken. Er hat sich unter Kontrolle - weil er auch unter Kontrolle steht. Nur im kleinen Kreis blitzt beim immer höflichen Dobrindt manchmal der Hang zu bissigem Humor auf.

Die Maut , die nur ausländische Fahrer treffen soll, ist nun also von der Regierung verabschiedet - nach Monaten der öffentlichen Debatte, nach intensiver Beratung in einem engen ministeriellen Zirkel. Der Gesetzentwurf geht jetzt in das Parlament. Noch hat Dobrindt den Pokal nicht geholt - denn die Opposition wird das Vorhaben weiter kräftig torpedieren und verzögern. Und auch in den schwarz-roten Koalitionsfraktionen überwiegt die Zahl der Skeptiker. "Es gibt noch viele offene Fragen", sagt SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol. Das klingt wie eine Drohung. Er wisse, entgegnet Dobrindt, "dass wir noch eine breite Diskussion haben werden". So ist sein neuer Stil - es ist der einer mitunter einschläfernden Sachlichkeit.

Selbst der Frage, ob er nach dem Kabinettsbeschluss zufrieden oder glücklich sei, weicht er aus. Die Debatte um die Abgabe sei "erwartbar" gewesen, antwortet Dobrindt kühl. Bei der Maut kochen seit Wochen die Emotionen hoch, doch der Minister selbst hat sich jede Emotion verboten. Das ist seine Überlebensstrategie bei diesem heiklen Unterfangen. Schließlich war die Maut das zentrale Wahlversprechen der CSU im Bundestagswahlkampf. Dobrindt hat das Amt des Verkehrsministers mit dem klaren und einzigen Auftrag bekommen, dieses Versprechen umzusetzen.

Unter Beobachtung

Von München aus wird er genau beobachtet. Scheitert Dobrindt, steht er auf Seehofers Abschussliste. Ist er erfolgreich, wäre er ein potenzieller Kandidat für die Nachfolge des Ministerpräsidenten. "Ja, wir haben Wort gehalten", betont er selbstbewusst. Die drei Vorgaben des Koalitionsvertrages - Mehreinnahmen für den Verkehrsetat, keine zusätzliche Belastung für deutsche Fahrer und die Vereinbarkeit mit dem Europarecht - seien erfüllt. Wahr ist aber auch: Dobrindt musste Federn lassen. Im Wahlkampf sprach die CSU noch von einer "Ausländer-Maut", die es geben müsse. Das Wort nimmt man bei den Christsozialen heute lieber nicht mehr in den Mund. Denn die Bajuwaren haben nicht die Maut bekommen, die sie wollten - jetzt ist von "Infrastrukturabgabe" die Rede. Sie wird von allen Fahrzeughaltern gezahlt, nur die deutschen werden bei der Kfz-Steuer im gleichen Umfang entlastet. Und ob die Gebühr europarechtlich einwandfrei ist und ausländische Fahrer nicht diskriminiert, steht noch lange nicht fest.

Erst Anfang der Woche meldete Brüssel wieder erhebliche Bedenken an. Die Probe aufs Exempel kann sich zudem hinziehen. Der Minister mag sich nicht mehr auf den 1. Januar 2016 als Tag der Einführung festlegen, sondern spricht neuerdings von "in 2016". Über die Feiertage will Dobrindt nun erst einmal verschnaufen. Das hat er auch nötig: 2015 dürfte in Sachen Maut ähnlich turbulent werden wie das Jahr 2014.

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