Arbeitnehmerrechte Diesmal soll es klappen mit der Rückkehr von Teil- in Vollzeit

Saarbrücken/Berlin · SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil macht Tempo bei dem roten Herzenswunsch. Arbeitnehmervertreter im Saarland freut das. Aber Kritik gibt es auch.

 Gesetz in Sicht: Hubertus Heil (SPD) will die befristete Teilzeit – schnell.

Gesetz in Sicht: Hubertus Heil (SPD) will die befristete Teilzeit – schnell.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Der klassische Fall geht so: Das Kind ist da, die Elternzeit vorbei, die Frau geht wieder arbeiten – aber sie wechselt von Vollzeit auf Teilzeit: 20 Stunden die Woche, um mehr Zeit daheim zu haben. Dann ist das Kind größer und Mama würde gerne wieder Vollzeit arbeiten. 40 Stunden. Geht aber nicht, weil der Bedarf nicht da ist, sagt der Arbeitgeber. Das ist sie, die „Teilzeit-Falle“, mit der die Arbeitskammer des Saarlandes regelmäßig zu tun hat. „Solche Fälle kommen unheimlich oft vor“, sagt Gertrud Schmidt, Referatsleiterin für Frauen- und Gleichstellungspolitik. Denn in der Falle sitzen meistens Frauen. Wieder raus geht es nur, wenn die Arbeitgeber das mitmachen. Was selten ist. Einen Rechtsanspruch auf Rückkehr gibt es nicht. Das soll sich ändern.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) drückt bei einem Herzensanliegen seiner Partei aufs Tempo: Bereits ab 1. Januar 2019 sollen Teilzeitbeschäftigte unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zur Rückkehr in Vollzeit bekommen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist fertig und wird jetzt in der Regierung beraten. Kommt das Gesetz, haben Millionen Arbeitnehmer Aussicht auf mehr Flexibilität.

Bisher gibt es lediglich ein Recht, von Voll- in Teilzeit zu wechseln. Rund zehn Millionen Teilzeit-Kräfte arbeiten in Deutschland. Rund 102 000 waren es 2017 im Saarland – also etwa jeder vierte Arbeitnehmer im Land und die meisten davon Frauen. „Teilzeit ist ein wachsender Markt“, sagt Arbeitskammer-Expertin Schmidt. Studien zufolge wünschten sich indes viele Teilzeit-Kräfte, wieder mehr zu arbeiten. Und viele in Vollzeit wollten gern in Teilzeit wechseln – aber nur mit Rückkehr-Option. Der Boden für den neuen Gesetzentwurf. Wie die Arbeitskammer, hält auch Eugen Roth, Vize-Bezirkschef des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, das Rückkehrrecht für „längst überfällig“. Weil die Rückkehr eben ohne Gesetz selten gelingt. Außerdem sei es ein „Schritt in Richtung Gleichstellung“, weil vor allem Frauen betroffen seien, schreiben die beiden Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung. Sie sehen im Entwurf eine langjährige Arbeitnehmer-Forderung erfüllt.

Auch die SPD wollte die „Teilzeit-Falle“ schon in der vergangenen Legislatur beheben, scheiterte aber am Widerstand der Union. Der neue Entwurf enthält jetzt Kompromisse – und sieht so aus: Neben dem schon bestehenden Rechtsanspruch auf dauerhafte Teilzeit wird ein neuer Rechtsanspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeit geschaffen. Heil spricht von „Brückenteilzeit“. Es gehe darum, „Brücken zu bauen zu den eigenen Lebensplänen, zu Lebenslagen“.

Der Anspruch gilt allerdings nur in Betrieben ab 45 Mitarbeitern. Für Arbeitgeber, die zwischen 46 und 200 Beschäftigte haben, können maximal 14 Personen ein Recht auf Rückkehr bekommen – nämlich einer pro angefangenen 15 Arbeitnehmern. Ein Kompromiss mit der Union, die den Rechtsanspruch zuvor erst ab 200 Mitarbeiter wollte. Dauern kann die befristete Teilzeit ein bis fünf Jahre.

Profitieren könnten potenziell rund 22 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland. Also alle, die laut Bundesarbeitsministerium in Betrieben ab 45 Beschäftigten arbeiten. Im Saarland seien das geschätzt 350 000 Mitarbeiter, sagt DGB-Vize Roth. Also fast alle, bei 384 000 regulär Beschäftigten. Dass alle leer ausgehen, die in kleineren Betrieben arbeiten, kritisieren DGB und Arbeitskammer indes. Auch in dem 15-er-Kompromiss sehen sie Konfliktpotenzial.

Der neue Rechtsanspruch soll auch nicht für all diejenigen gelten, die bereits jetzt unbefristet in Teilzeit arbeiten. Allerdings bekommen auch sie mehr Chancen auf Vollzeit. Dazu wird eine Beweislastumkehr eingeführt. Das heißt, der Arbeitgeber muss begründen, warum er dem Wunsch des Beschäftigten nach Rückkehr in Vollzeit gegebenenfalls nicht nachkommen kann.

Das hält Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände, für vertragsrechtlich problematisch. Die Beweislast müsse beim Arbeitnehmer liegen, der die Veränderung begehre. Insgesamt führe ein Rückkehrrecht zu viel Bürokratie und dazu, „dass einem Unternehmen mehr Arbeitszeit aufgezwungen wird, als es aktuell benötigt“, kritisiert Malter. Auch der Arbeitsmarktexperte der Unionsfraktion, Peter Weiß, nennt die Beweislast einen „heiklen Punkt“. Verzögerungen sind demnach nicht ausgeschlossen. Geht es nach Heil, soll das Kabinett den Entwurf schon am 23. Mai billigen und damit ins Parlament weitergeben.

Die Arbeitnehmervertreter im Saarland hoffen, dass das Gesetz auch ein „Türöffner“ wird für noch „mehr Flexibilität“. Für alle, die nicht 20, aber auch nicht 40 Stunden arbeiten wollen. Sondern vielleicht 30.

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