Die zündende Idee kommt aus dem Saarland

Saarbrücken · Die Einigung von Bund und Ländern auf einen neuen Finanzausgleich basiert auf einem Modell aus dem Saarland. Zwei Mitarbeiter des Finanzministeriums hatten es seit 2012 immer weiter entwickelt. Mit Erfolg.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) weiß genau, wem sie ihren Erfolg bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen wesentlich zu verdanken hat. Als sie am Samstag vor die Presse trat, hob sie zwei Namen besonders hervor: Elmar Braun und Wolfgang Förster. Die Mitarbeiter des saarländischen Finanzministeriums haben die Grundzüge jenes Modells entwickelt, auf das sich Bund und Länder am Freitag nach jahrelangen Diskussionen verständigt haben. "Ohne ihren Ideenreichtum wäre die Einigung nicht möglich gewesen", sagte Kramp-Karrenbauer anerkennend.

Als 2012 die Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich begannen, entwickelten Braun und Förster zunächst ein radikales Modell: Der Ausgleich zwischen reichen und armen Ländern sollte ganz abgeschafft werden, stattdessen sollte der Bund den schwachen Ländern helfen. "Unser Ziel war es von Anfang an, dass das Saarland in die Offensive kommt", sagt Braun. "Weg vom Bittsteller-Image", ergänzt Förster. Das Modell sei bei einigen Ländern auf Interesse gestoßen, bei anderen aber auf Ablehnung.

Dann kam das Jahr 2015, die Verhandlungen gerieten in eine Sackgasse. Förster und Braun bastelten, zunächst im Geheimen, an einem neuen Modell. Es war nicht ganz so radikal wie das erste, aber es erlaubte den Landesregierungen, "gesichtswahrend aus den Schützengräben herauszukommen", wie Förster sagt. Die Umverteilung sollte nicht mehr über Transfers aus den Haushalten der reichen Länder erfolgen, sondern bereits zuvor, wesentlich diskreter, bei der Verteilung der Umsatzsteuer. Auch der Bund sollte mehr zahlen. Erst sprangen die Bayern darauf an, am 3. Dezember 2015 beschlossen alle Ministerpräsidenten dieses Modell.

Der Bund lehnte das Modell allerdings zunächst ab. Als die Ministerpräsidenten mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) um einen neuen Finanzausgleich rangen, saßen Förster und Braun einen Kilometer Luftlinie entfernt in der saarländischen Landesvertretung. Kramp-Karrenbauer ließ per SMS aus der laufenden Verhandlung neue Vorschläge durchrechnen.

Finanzminister Stephan Toscani (CDU ) hatte Förster, der in Riegelsberg für die SPD im Gemeinderat sitzt, 2012 zum Leiter der wichtigen Haushaltsabteilung gemacht. Der 57-jährige Volkswirt, ein gebürtiger Würzburger, befasst sich beruflich seit Jahrzehnten mit dem Finanzausgleich . In der Landespolitik heißt es, in ganz Deutschland gebe es nur wenige, die das komplexe System derart durchschauten wie er. Braun, ein Ministerialrat mit CDU-Parteibuch, ist promovierter Jurist und leitet die Abteilung Steuern. Der 45-jährige Saarbrücker arbeitete bis zu seinem Wechsel in die Finanzverwaltung als Anwalt und für einen Versicherungskonzern.

In der Nacht zu Freitag mussten beide zunächst mit erleben, wie die Gespräche scheinbar scheiterten. Kramp-Karrenbauer schickte Toscani um 1 Uhr eine SMS: "Bitte Plan B überlegen." Um 2.30 Uhr ging es weiter, gegen 4 Uhr schließlich die Einigung. In kleiner Runde stießen die saarländischen Vertreter darauf an.

Zum Thema:

Hintergrund Einen "ganz besonderen Tag für das Saarland" nannte es Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) am Samstag. Mit Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ) und Finanzminister Stephan Toscani stellte die CDU-Chefin sich in der Staatskanzlei den Fragen von Journalisten. Denn es galt, die tags zuvor erzielte Einigung über die Bund-Länder-Finanzen zu würdigen, die dem Saarland ab 2020 jährlich etwa 500 Millionen Euro Bundesmittel bringt. Doch es floss kein Champagner, denn weiterhin drückt das Saarland ein Schuldenberg von 14,5 Milliarden Euro, die Saar-Kommunen stehen zusätzlich mit vier Milliarden in der Kreide. "Es gibt keine strikte Vorgabe, was das Thema Tilgung von Altschulden anbelangt", sagte Kramp-Karrenbauer. Bei der Haushaltsaufstellung für 2019/2020 seien dazu noch Gespräche mit dem Bund nötig. dik

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort