„Die Zahlen sind reine Spekulation“

Der Präsident der Saarländischen Ärztekammer, Josef Mischo, stellt die Seriosität der Zahlen im neuen AOK-Krankenhausreport in Frage. SZ-Redakteurin Iris Neu sprach mit ihm.

Herr Dr. Mischo, die Zahlen der AOK zu den Behandlungs- und Todesfällen in deutschen Krankenhäusern hören sich erschreckend an. Was läuft schief?

Mischo: Zunächst stelle ich die Seriosität dieser Zahlen doch sehr in Frage. Der Jahresbericht 2012 des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen und die Gutachterkommission der Ärztekammern kommen zusammen auf bundesweit höchstens 13 000 Behandlungsfehler, die nachgewiesen sind. Die Zahlen der AOK sind reine Spekulation. Wir brauchen dringend seriöse Statistiken - das fordert auch der Medizinische Dienst.

Nun sind die Probleme in vielen Krankenhäusern ja nicht vom Tisch zu wischen . . .

Mischo: Wir müssen zweifellos weiter an der Vermeidung von Behandlungsfehlern arbeiten. Andererseits verzeichnen wir aber auch deutliche Verbesserungen in der Versorgung. Nach den Statistiken der externen Qualitätssicherung sind die Komplikationsraten bei und nach Operationen drastisch zurückgegangen. So ist die Anzahl der Wund eiterungen bei Schenkelhals-Frakturen nur noch ein Drittel so hoch wie vor zehn Jahren.

Dass es in vielen Krankenhäusern Organisations-, Anamnese-Fehler oder Hygienemängel gibt, ist hinlänglich bekannt. Welche Maßnahmen würden Sie dagegen empfehlen?

Mischo: Die Krankenhäuser müssten mehr als bisher in die Pflicht genommen werden, ein systematisches Qualitäts- und Fehler-Management zu betreiben. Ein großer Teil der Kliniken tut dies zwar bereits. Aber es gibt auch Ausreißer. Gerade die Frage der Qualitätssicherung könnte künftig stärker in den Budget-Verhandlungen mit den Kliniken thematisiert werden. Mit dem Ziel, dass Krankenhäuser mit nicht ausreichender Qualität Kürzungen in Kauf nehmen müssen.

Immer wieder ist auch von einer stärkeren Spezialisierung von Krankenhäusern die Rede. Wäre das nicht sinnvoll zur Vermeidung von Behandlungsfehlern?

Mischo: Ja, eine Spezialisierung ergibt durchaus Sinn. Denn es müssen ja nicht mehrere Krankenhäuser in unmittelbarer Nähe aus Konkurrenzgründen dieselben Operationen anbieten.

Inwieweit trägt mangelnde Qualifizierung von Ärzten und Pflegepersonal zu Fehlern bei?

Mischo: Ich sehe derzeit das größte Problem weniger in der Qualifizierung als in der Personalverknappung aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser. Es gibt beispielsweise Studien, die klar sagen: Wenn das Pflegepersonal reduziert wird, steigt die Komplikationsrate.

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