Eklat nach dem G7-Gipfel Die Welt fleht – und Trump geht

Québec · Und wieder schlägt er zu wie ein zorniger Rachegott: Donald Trump lässt per Tweet aus dem Flugzeug die zuvor mit Ach und Krach vereinbarte G7-Erklärung platzen. Das Gipfeltreffen in Kanada: ein Paukenschlag.

 Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Mit einer zugleich verzweifelt und genervt wirkenden Mimik und Gestik redet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande der G7-Beratungen auf US-Präsident Donald Trump ein. Der sitzt mit verschränkten Armen da und zeigt sich von allem unbeeindruckt, was um ihn herum geschieht. 

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Mit einer zugleich verzweifelt und genervt wirkenden Mimik und Gestik redet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande der G7-Beratungen auf US-Präsident Donald Trump ein. Der sitzt mit verschränkten Armen da und zeigt sich von allem unbeeindruckt, was um ihn herum geschieht. 

Foto: dpa/Jesco Denzel

Der Gipfel in Kanada ist lange zu Ende, da holt Donald Trump den Hammer raus. Alle Delegationen sind aus La Malbaie abgereist, die Pressekonferenzen gehalten, mühsam hatten sich die G7 zu einer gemeinsamen Erklärung durchgerungen – da platzt dem US-Präsidenten in der Air Force One der Kragen. Einmal mehr schreibt Trump Geschichte via Twitter: Längst auf dem Weg nach Asien, zieht er stocksauer die Unterstützung des Dokuments zurück. Was ist passiert?

In zwei wuchtigen Tweets gibt der Amerikaner dem Gastgeber des G7 die Schuld, Kanadas Premier Justin Trudeau. Ein falsches Statement habe der nach dem Gipfel abgegeben, nachdem er sich zuvor so demütig gegeben habe. Unehrenhaft sei das und schwach, poltert Trump. Mit ihren Zöllen reagierten die USA doch nur auf die Handelspolitik Kanadas.

Also doch keine gemeinsame Erklärung. Ist das der Bruch der G7? Der Vollzug der Spaltung in G6 plus eins? Trump ist ein extrem empfindlicher Mann, er lässt sich von niemandem etwas sagen. Da darf Kanadas smarter Premier ihm nicht sagen, er lasse sich nicht herumschubsen. Trump will, dass nach seinen Regeln gespielt wird – und nur nach seinen. Wer das nicht tut, den trifft des Dünnhäutigen Blitz. Und wenn es, wie hier, auf dem Flug nach Singapur ist. Dort will Trump morgen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un treffen. Seine Anhängerschaft setzt auf nichts weniger als den Friedensnobelpreis für ihren Meister.

Mit diesem Eklat treibt Trump den schon zuvor gesetzten Keil noch tiefer in die G7. Er stößt sie in eine völlig ungewisse Zukunft. Die Gruppe der mächtigsten Industriestaaten befindet sich dank Trump auf unkartiertem Gelände. Es gibt keine Notfallpläne für diese Situation.

Die Kanzlerin wurde davon auf dem Rückflug nach Berlin mitten in der Nacht überrascht. Ohne ein Wort verließ sie nach der Landung gegen 6 Uhr das Flugzeug. Ein Regierungssprecher ließ um 6.21 Uhr ein Sieben-Worte-Statement verbreiten. Es verriet Fassungslosigkeit: „Deutschland steht zu dem gemeinsam vereinbarten Kommuniqué.“

Dieser ganze Gipfel, er wirkte schon zuvor wie eine Hülle. Irgendwie festgefahren die Rituale, das betont kraftvolle Händeschütteln, die bunten Flaggen vor traumblauem Wasser, das „Familienfoto“. Drinnen ging es bei dieser Familie richtig zur Sache – lange bevor Trump dann schließlich der große Kragen platzte.

Einen nach dem anderen, schreibt die „New York Times“, habe sich Trump zur Brust genommen und geklagt, wo genau das jeweilige Land die USA ausnehme oder blockiere. Mancher Gescholtene habe ziemlich zurückgekeilt, schreibt das Blatt.

In seiner abschließenden Pressekonferenz wählte Trump für sein Land – die größte Volkswirtschaft der Erde – das Bild eines „Sparschweins“, das von allen ausgenommen werde, aber damit sei jetzt mal Schluss. Wie selten zuvor düpierte der Amerikaner seine Partner. Vor dem Gipfel spreizte er sich, überhaupt zu kommen, um sich dann satte fünf Stunden vor dem Ende zu verabschieden – mit markigen Drohungen, während drinnen noch um Formulierungen gerungen wurde. Dann setzte er Stunden nach Gipfelende den finalen Punkt. Mehr Drama geht nicht.

Trudeau war nach Ende des Gipfels in der Tat deutlich geworden. Er hatte keinen Hehl aus Konflikten mit dem südlichen Nachbarn in Washington gemacht, war inhaltlich hart geblieben: Das mit den Zöllen, das gehe so nicht. Er dürfte stellvertretend für viele gesprochen haben.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich nach dem Gipfel dagegen deutlich zahmer gegeben als zuvor. Macron sah tatsächlich eine „Beruhigung“ der G7. Nun, er ist Gastgeber der Gruppe im nächsten Jahr im schönen Biarritz – wenn es den Club dann noch gibt.

Trump hat diesen Gipfel dominiert wie niemand anders. Magnet aller Aufmerksamkeit, Bestimmer jeder Agenda, auch diesen Gipfel hat er eingeschmolzen in die große Reality Show, zu der er Politik umformt. Ob er seinen Vorschlag ernst meint, Russland wieder in eine Gruppe der G8 zu holen, weiß man nicht. Es wird bis auf weiteres eh nichts werden, weiß doch zunächst niemand, was nach der annullierten Unterstützung der USA für die Abschlusserklärung nun passieren soll.

Gleichwohl wird sich die G7 fragen müssen, ob die Zukunft dieses Formats tatsächlich darin bestehen kann, sich einmal im Jahr rituell in malerischer Abgeschiedenheit ihrer selbst zu vergewissern. In einigen Berichten klang Sympathie dafür an, dass Trump das langweilt.

Am St. Lorenz-Strom sind parallele Universen zutage getreten. In einem davon agiert Trump. Die Europäer beschworen dagegen die Gemeinsamkeit, wussten in diesem Moment der Wahrheit aber nicht so recht, wie sie diesen gestalten sollen. Ihnen bleibt erstmal nur Schadensbegrenzung.

Nach 70 Jahren westlicher Allianz bringen anderthalb Jahre Trump Europa nahe heran an ein fundamentales Eingeständnis. Dass eintritt, was man schon länger befürchtet: Es könnte vielleicht schiefgehen mit diesen USA. Man ist sich sehr fremd geworden. Da mochte Trump, noch in Kanada, die Beziehungen zu den anderen Lenkern noch so sehr als „perfekt“ beschreiben.

Trump geht weiter seinen Weg von Tag zu Tag. Eine irgendwie größere Landkarte gibt es nicht. Die gemeinsame Erklärung der G7, sie wollte noch zudecken, was innerlich zerbröselt: Was ist ein wiederholtes Bekenntnis gegen Protektionismus im wirklichen Leben wert, wenn ein Handelskrieg droht? Manchmal klaffen die Welten weit auseinander.

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