Die Union und ihre Talente

Berlin. Der Schleswig-Holsteiner Christian von Boetticher galt bisher als eine der politischen Begabungen in der zweiten Reihe der Union. Die aufstrebende Karriere des 40-Jährigen ist nun durch die Liebesaffäre mit einer 16-Jährigen abrupt beendet worden

Berlin. Der Schleswig-Holsteiner Christian von Boetticher galt bisher als eine der politischen Begabungen in der zweiten Reihe der Union. Die aufstrebende Karriere des 40-Jährigen ist nun durch die Liebesaffäre mit einer 16-Jährigen abrupt beendet worden. Der Fall sagt jedoch nicht nur etwas über den Zustand der Nord-CDU aus, sondern auch etwas über die personelle Lage der Merkel-Partei insgesamt - die Union und ihre Talente, das ist inzwischen eine Problemgeschichte.Wer kommt nach Angela Merkel? Die Ministerpräsidenten Roland Koch, Jürgen Rüttgers, Ole von Beust und Peter Müller sind weg, Stefan Mappus ist abgewählt, Günther Oettinger in Brüssel, Christian Wulff Bundespräsident - der Union sind in knapp zwei Jahren gestandene Typen abhandengekommen, von denen einige stets auch als Konkurrenten der Kanzlerin galten. Es ist, als verlöre eine Bundesligamannschaft in einer Saison die komplette Stammelf. Ein großes Problem. Denn nicht nur Köpfe haben sich verabschiedet, sondern mit ihnen auch die Themen und Profile, für die sie standen. Darunter leidet die Union kräftig.

Die Lücke, die die abgetretene Riege hinterlassen hat, ist immens. Merkels Stellvertreter im Parteivorsitz Norbert Röttgen, Ursula von der Leyen und Annette Schavan wollen oder können sie nicht füllen, zumal sie nie eine Landesregierung geführt haben. Und der hessische Regierungschef Volker Bouffier gilt nur als Mann des Übergangs. Erst Recht gelingt es CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nicht, die CDU-Politik offensiv zu vertreten - deswegen wird die innerparteiliche Kritik an ihm lauter.

Das wäre jetzt die Chance für die nächste Reihe oder die wenigen jungen Partei-Talente, sich endlich in Szene zu setzen und vorzuarbeiten. Doch sie wollen nicht und wirken lustlos. In den CDU-Ländern sind fast überall Nobodys am Ruder. Während Koch, Rüttgers und Co. ihren landespolitischen Durchbruch gegen Parteifreunde oder politische Gegner erkämpfen mussten, sind den meisten anderen die Ämter in den letzten Jahren in den Schoß gefallen. Auch deswegen agiert Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (53) zurückhaltend - anders als ihr Vorgänger Dieter Althaus. Gleiches gilt für Sachsen-Anhalts Landeschef Reiner Haseloff (57), der besonders blass ist, allerdings bereits eine Wahl gewonnen hat. Bundespolitisch ambitionslos ist auch Sachsens Ministerpräsident Stanislav Tillich (52). Und die neue saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (49) muss ihre Rolle erst noch finden. Sie alle teilen ein Schicksal: Kaum einer kennt sie über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus.

Wer nach attraktiven Namen für die Zeit nach Merkel sucht, stößt daher unabwendbar auf den Niedersachen David McAllister, der 2010 Christian Wulff beerbte. Er ist 40 Jahre alt, eloquent und begabt. Doch er hält sich bewusst zurück. Neben Hessen ist Niedersachsen eine der letzten CDU-Bastionen im Westen, und die muss McAllister bei den Landtagswahlen 2013 erst einmal verteidigen. Da wäre jeder Eindruck "tödlich", dass er Berliner Ambitionen haben könnte, gibt er zu. Ebenso talentiert und ambitioniert ist die Rheinland-Pfälzerin Julia Klöckner (39). Doch bei den Wahlen im März wurde sie für fünf Jahre auf die Oppositionsbänke verbannt. Damit hat die Talentsuche auch schon ein Ende.

Sollte sich urplötzlich die Frage der Nachfolge Merkels stellen, käme derzeit wohl nur Verteidigungsminister Thomas de Maizière (57) als neuer Kanzler in Frage. Und für die CDU-Spitze? Da ist momentan niemand in Sicht, der überzeugen könnte - die Partei und den Wähler.

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