Familienministerin Barley „Die Union hat offenbar dazugelernt“

Die Bundesfamilienministerin (SPD) sieht familienpolitische Gemeinsamkeiten mit CDU und CSU.

Frau Barley, bei den inhaltlichen Debatten über eine künftige Regierungsbildung hat die Familienpolitik bislang eher ein Schattendasein geführt. Ärgert Sie das?

BARLEY Ja, das ärgert mich, und ich halte das auch für falsch. Denn gerade die Familienpolitik betrifft direkt das Leben der Menschen.

In der SPD-Gruppe für die anstehenden Sondierungen sind Sie nicht dabei. Sagt das nicht etwas über den Stellenwert des Themas?

BARLEY Nein; es sind ja gar keine Bundesminister dabei. Die grundsätzliche Entscheidung war, die Spitzen von Partei und Fraktion mit den Sondierungen zu betrauen. Und bei der Familienpolitik sitzt mit der ehemaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig eine absolute Expertin am Sondierungstisch. Durch sie fühle ich mich dort bestens vertreten.

Wie groß sind nach Ihrer Einschätzung die familienpolitischen Gemeinsamkeiten mit der Union?

BARLEY Zumindest hat die Union Dinge in ihr Wahlprogramm geschrieben, die sie vier Jahr lang in der großen Koalition bekämpft hat. Sie scheint also dazu gelernt zu haben. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler und müssen die Rechte von Kindern im Grundgesetz verankern. Umso mehr bin ich gespannt, was die Sondierungen im Januar bringen werden.

CDU und CSU wollen auch das Kindergeld um 25 Euro im Monat erhöhen. Macht die SPD da mit?

BARLEY Bei Gießkannen-Lösungen bin ich generell skeptisch. Zumal der Plan der Union sehr viel Geld kostet und eine Erhöhung alleine ja auch nichts bringt. Jetzt ist es beim Kindergeld so, dass arme Eltern nichts davon haben. Denn ihre Grundsicherung wird komplett mit dem Kindergeld verrechnet. Und diejenigen, die sehr gut verdienen, merken die Erhöhung gar nicht. Ich stehe für ein anderes Modell, zielgerichtet zu stärken.

Was bedeutet das?

BARLEY Ich ziehe jetzt keine roten Linien. Aber natürlich werden wir mit der Union über das Thema Kinderarmut reden. Die verschiedenen Leistungen, die bedürftige Familien beanspruchen können, müssen unbürokratischer gestaltet werden. Sie sollten zusammengelegt und auch zum Teil aufgestockt werden. Nur damit können wir die Kinder aus der Armut holen. Und Normalverdiener wollen wir entlasten. Weiteres Thema natürlich: Wir müssen auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter vorankommen.

Und das heißt für Sie konkret?

BARLEY Es geht nicht nur darum, wie die Frau besser berufstätig sein kann. Der Fokus muss sich auch darauf richten, wie können alle mehr Zeit mit der Familie haben – wenn die Kinder klein sind oder wenn man pflegebedürftige Angehörige hat. Stichwort: Familienarbeitszeit. Ein konkretes Modell liegt vor. Und das muss in Gesprächen mit der Union thematisiert werden.

Viele Scheidungsväter wünschen sich ein Wechselmodell bei der Kinderbetreuung. In der Praxis ist es so, dass die Mutter das Kind die allermeiste Zeit hat und der Vater nur gelegentlich. Sehen Sie hier Änderungsbedarf?

BARLEY Ich bin sehr dafür, auch den Blick für Familien in Trennung zu schärfen. Das tut Politik bisher nicht. Es ist grundsätzlich gut, wenn sich beide Elternteile um die Kinder kümmern. In der Partnerschaft, aber eben auch nach einer Trennung. Dafür gibt es jedoch kein Patentrezept. Ich bin dafür, die Familiengerichte und Jungendämter besser zu befähigen, für jede betroffene Familie eine passgenaue Lösung zu finden. Das ist besser als starre gesetzliche Vorgaben.

Im Januar tritt das neue Lohngleichheitsgesetz in Kraft. Frauen haben dann einen Auskunftsanspruch, wie viel ihre Kollegen für eine gleichwertige Arbeit verdienen. Rechnen Sie mit einem Ansturm in den Unternehmen?

BARLEY Mir sagen viele Frauen, dass sie wissen wollen, was die Kriterien für ihre Bezahlung sind und ob es da Unterschiede zu den männlichen Kollegen gibt. Zumeist sind das Berufsanfängerinnen oder Frauen, die nach der Familienphase wieder in den Job einsteigen und dann merken, dass sie von jeder Beförderung und Lohnerhöhung abgehängt sind. Das Problem ist immer, dass dieses Recht auch geltend gemacht werden muss. Die Frage ist, ob die entsprechenden Instrumente im Gesetz scharf genug sind, dass sie auch wirklich in Anspruch genommen werden. Wenn nicht, muss das Gesetz verschärft werden.

Nun gilt dieses Gesetz nur für Betriebe ab 200 Beschäftigte. Schon deshalb haben die meisten weiblichen Arbeitnehmer ohnehin nichts davon…

BARLEY Das kann ja auch nur ein erster Schritt sein. Die SPD wollte mehr, aber die Union nicht. Und am Ende stand ein Kompromiss. Sonst hätte sich gar nichts bewegt. Die Union hat ja bereits angekündigt, sie möchte auch eine Weiterentwicklung des Gesetzes. Deshalb bin ich optimistisch, dass am Ende mehr Betriebe unter das Gesetz fallen als jetzt.

Sie sind jetzt seit rund einem halben Jahr Familienministerin. Wo sehen Sie Ihre politische Zukunft?

BARLEY Ich habe beruflich schon viel erlebt. Als Rechtsanwältin, als Richterin, als Generalsekretärin. Jetzt bin ich sehr zufrieden an der Stelle, wo ich bin. Das Bundesfamilienministerium ist für mich eine wunderbare Aufgabe. Aber ich bin auch für andere Herausforderungen offen.

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