"Die Uni hat unklug gehandelt"

Herr Turner, hat Sie die glasklare Entscheidung der Uni Düsseldorf gegen Schavan überrascht?Turner: Ich bin verblüfft, weil ich meine, dass die Universität unklug gehandelt hat. Und zwar deshalb, weil sie nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich selbst als untadelig und als unvoreingenommen gegenüber Frau Schavan darzustellen

Herr Turner, hat Sie die glasklare Entscheidung der Uni Düsseldorf gegen Schavan überrascht?

Turner: Ich bin verblüfft, weil ich meine, dass die Universität unklug gehandelt hat. Und zwar deshalb, weil sie nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich selbst als untadelig und als unvoreingenommen gegenüber Frau Schavan darzustellen. Dazu hätte sie weitere Gutachten einholen müssen. Wenn diese Gutachten das bestätigt hätten, was Stefan Rohrbach vom Promotionsrat eine "leitende Täuschungsabsicht" nannte, ohne Schavan überhaupt anzuhören, dann hätte die Universität fleckenlos dagestanden. Nun aber lenkt sie alle Speere auf sich.

In Schavans Doktorarbeit seien "in bedeutendem Umfang" fremde Texte ohne entsprechende Kennzeichnung zu finden, sagt die Uni. Überzeugt Sie das nicht?

Turner: Das wiegt sehr schwer. Das wiegt aber auch sehr schwer gegen den Doktorvater. Denn wenn das so klar erkennbar ist, wie es der Fakultätsrat jetzt sagt, dann frage ich mich, was der Doktorvater und der Zweitberichterstatter gemacht haben, als sie Schavans Arbeit durchgeschaut haben.

Sollte Frau Schavan nicht doch besser von ihrem Ministeramt zurücktreten?

Turner: So lange das Verfahren nicht durch ein Gericht abgeschlossen ist, nein. Das Gericht wird prüfen, ob Verfahrensfehler vorgekommen sind. Hier könnte ich mir vorstellen, dass das bestätigt wird. In der Sache selbst stellt sich die Frage, ob die Entscheidung der Universität ermessensfehlerhaft war. Dazu muss eine Gesamtbeurteilung stattfinden. Ein paar Gutachter, die nicht im Auftrag der Uni handelten, sondern das aus freien Stücken taten, haben ja schon festgestellt, dass Schavan zwar Fehler gemacht hat, aber diese Fehler keine Aberkennung des Doktortitels rechtfertigen.

Ein Gericht könnte also zu einem anderen Urteil kommen als die Düsseldorfer Universität?

Turner: Das wage ich nicht vorherzusagen. Beim Verfahren, denke ich, hat die Universität Fehler gemacht. In der Sache wäre es anmaßend, schon jetzt ein Urteil abzugeben.

Was unterscheidet den Fall Schavan eigentlich so grundlegend vom Fall zu Guttenberg?

Turner: Zu Guttenberg hatte seine Doktorarbeit aus großen Passagen fremder Texte komponiert. Frau Schavan hat eine eigene Arbeit geschrieben und dabei technische Fehler gemacht, also nicht richtig zitiert, oder etwas übersehen.

Was sollen denn die heutigen Doktoranden davon halten, wenn die oberste Bildungspolitikerin der Bundesrepublik trotz einer Aberkennung ihres Doktortitels weitermachen will?

Turner: Wenn das ein Gericht bestätigt, dann wird Frau Schavan die richtigen Konsequenzen ziehen. Wenn jemand in erster Instanz verurteilt ist, und er geht in die nächste Instanz, dann muss dieses Urteil abgewartet werden. Das sollten auch Doktoranden berücksichtigen.Foto: privat