Die Tage der Entscheidung sind da

Berlin · Schon seit langem wird spekuliert, ob Angela Merkel für eine vierte Amtszeit als Kanzlerin antritt. An diesem Sonntag wird sie sich wohl dazu äußern. Dann steht der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel unter Druck, sich auch zu erklären.

Die Personalie Bundespräsident ist mit der Nominierung Frank-Walter Steinmeiers (SPD ) geklärt, aber drei weitere Top-Positionen der Politik sind offen: Die Kanzlerkandidaten von CDU und SPD sowie der neue Außenminister. Weil klar ist, dass hier Entscheidungen unmittelbar bevorstehen, rumort es derzeit in der Berliner Gerüchteküche. Nicht alle Spekulationen sind allerdings seriös. Wie nervös die Stimmung ist, zeigte sich am Dienstag, als der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in einem Interview mit einem US-Sender sagte, Angela Merkel werde wieder als Kanzlerin kandidieren. Das klang wie geheimes Wissen, war aber - wie Röttgen hinterher einräumte - bloß eine private Einschätzung, die so fast jeder andere auch hätte äußern könnte. Und vor Wochen auch schon geäußert hat, etwa CDU-Parteivize Julia Klöckner . Doch diesmal gab es eine riesige mediale Welle. In einem Nachrichtensender lief den ganzen Tag lang die Schleife "Merkel tritt wieder an". Dabei hätte jeder wissen können, dass der ehemalige Umweltminister ungefähr der Letzte ist, den Angela Merkel in ihre persönlichen Pläne einweihen würde. Schließlich hat ihn die Kanzlerin einst aus ihrem Kabinett geschasst. Erst als das Konrad-Adenauer-Haus feststellte, es bleibe dabei, die Kanzlerin werde ihre Pläne "zu gegebener Zeit" kundtun, beruhigte sich die Lage wieder. Beim "gegebenen Zeitpunkt" freilich ist es mehr als eine bloße Vermutung, dass dies dieses Wochenende sein könnte. Am Sonntag tagt der CDU-Bundesvorstand, um den Parteitag am 6. und 7. Dezember in Essen vorzubereiten. Um 19 Uhr ist eine Pressekonferenz mit Angela Merkel angesetzt. Da es auf dem Parteitag um die Wiederwahl der Bundesvorsitzenden geht, wird sie sich erklären müssen, ob sie den Job weitere zwei Jahre machen will. Und wenn ja, was wahrscheinlich ist, steht sofort die Erwartung im Raum, dass sie sich auch zur Kanzlerkandidatur äußert. Zumal es bis zum Parteitag noch vier Regionalkonferenzen mit Merkel gibt, auf denen sie der Frage nicht ausweichen kann.

Parallel richtet sich der Fokus auf die SPD . Dort ist Sachlage, dass trotz großer Skepsis weiterhin niemand Sigmar Gabriel das Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur streitig macht. Denn er ist der Vorsitzende. Auch nicht EU-Parlamentspräsident Martin Schulz , was als nächstes Gerücht am Donnerstag durch Berlin lief. Denn Schulz gilt als loyaler Freund Gabriels. Ob Gabriel antreten will, ist aber offen. Ursprünglich wollte sich der Wirtschaftsminister erst zum Jahreswechsel entscheiden, doch ist klar, dass der Druck auf ihn wächst, sobald Merkel Klarheit geschaffen hat. Kürzlich deutete Gabriel einen solchen Zusammenhang selbst schon an. Also ist es wahrscheinlich, dass auch auf SPD-Seite bis Anfang Dezember die Entscheidungen fallen.

Wenn Gabriel verzichtet, wäre Schulz der aussichtsreichste Anwärter - und müsste im Februar dann auch neuer Außenminister werden, um eine gute Position für einen Wahlkampf zu bekommen. Wenn Gabriel jedoch gegen Merkel antritt, kann im Prinzip auch jeder andere Nachfolger Steinmeiers werden, etwa Fraktionschef Thomas Oppermann . Dass Schulz gesagt haben soll, er wolle Steinmeier im Auswärtigen Amt nur beerben, wenn zuvor klar sei, dass er auch Merkel herausfordern könne, wurde sowohl von Schulz als auch von der SPD dementiert. Es wäre auch eine grandiose Selbstüberschätzung des Mannes aus Würselen, der froh sein muss, wenn er überhaupt etwas bleibt. Denn verabredet ist, dass er das Amt des Parlamentspräsidenten im Januar an die Konservativen abgeben muss.

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Hintergrund CSU-Chef Horst Seehofer hat ein Eckpunkte-Papier mit Forderungen seiner Partei zur Zuwanderungspolitik fast fertig. Er wolle die Arbeit an dem an die CDU und die Bundeskanzlerin gerichteten Text "mit einigen politischen Freunden am Sonntag abschließen", sagte Seehofer. An oberer Stelle stehe "das Bekenntnis zur Humanität", so Seehofer. "Antisemitismus, Hass und Fremdenfeindlichkeit werden von uns strikt abgelehnt." Dem Bericht zufolge hält Seehofer an einer Obergrenze beim Zuzug von 200 000 Menschen pro Jahr fest. kna

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