Die SPD auf dem steinigen Weg zur Koalition

Angela Merkel lächelt Sigmar Gabriel an, die beiden haben Spaß. Der SPD-Chef ist stolz, dass sich die Kanzlerin die Ehre gibt zum großen Jubiläum.

Es ist der 23. Mai, die Sozialdemokratie feiert in Leipzig ihr 150-jähriges Bestehen. Die Bilder von damals sind jetzt wieder präsent. Nach dem grünen Licht des SPD-Parteikonvents am Freitagabend für Gespräche mit der Union ist es wahrscheinlicher geworden, dass die beiden die Führungsspitze einer großen Koalition bilden könnten, zusammen mit CSU-Chef Horst Seehofer.

Gabriel schätzt beide aus Zeiten der großen Koalition 2005 bis 2009. Damals kamen der Umweltminister Gabriel und der Landwirtschaftsminister Seehofer gut miteinander aus. Mit Merkel setzte Gabriel den Klimaschutz oben auf die Agenda. "Ich halte ihn für einen absolut seriösen und inhaltlich kompetenten Gesprächspartner", sagt Seehofer über Gabriel. Zugleich schließt er Steuererhöhungen aus. So ist der Koalitionspoker eröffnet. Führende SPD-Politiker glauben nicht, dass man das ungeliebte Betreuungsgeld wieder kippen kann. Aber bei 8,50 Euro Mindestlohn und höheren Steuern, um mehr Geld für Straßen, Bildung und Kommunen zu haben, sehen sie Chancen. Zumal SPD-Länder wie Nordrhein-Westfalen mit der skeptischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft so von der Koalition überzeugt werden könnten. Bei wichtigen Themen wie Euro-Krise und Energiewende sind die Schnittmengen ohnehin hoch.

So sieht es inhaltlich gar nicht schlecht aus, sich zu einigen - aber die SPD-Spitze hat da ein Votum ihrer gut 470 000 Mitglieder im Nacken. Der Konvent beschloss, dass die Mitglieder am Ende über den Koalitionsvertrag entscheiden sollen. Immer wieder ist von sechs bis sieben Ministerien die Rede, die die SPD verlangen wolle. Unklug ist es wohl, wenn schon Namen in der SPD kursieren. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wird als Kandidat für das Finanzministerium genannt, SPD-Vize Manuela Schwesig wird mit dem Familienressort in Verbindung gebracht - und Gabriel könnte als Vizekanzler das Arbeitsministerium übernehmen. Wird jetzt schon zu viel über Posten gesprochen, könnte die Basis allergisch reagieren. Ebenso, wenn zu wenige inhaltliche Forderungen durchgesetzt werden können. Dabei hat die SPD mit 25,7 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte eingefahren. Die Union hat 41,5 Prozent der Stimmen bekommen - da wäre es wohl ein gefährlicher Irrglaube, auf Augenhöhe verhandeln zu können.

Die Sprachregelung ist, es gebe "keinen Automatismus" hin zur großen Koalition: "Messlatte" soll das SPD-Wahlprogramm sein. Kommende Woche wird es wohl Sondierungen mit CDU/CSU geben. Liegen Ergebnisse vor, wird der formal nur unterbrochene Konvent wieder zusammengerufen, eventuell Ende der Woche. Dann folgt der eigentliche Kraftakt: Kann der Konvent überzeugt werden, Koalitionsverhandlungen zuzustimmen? Das ist die große Unbekannte. Eigentlich müsste Merkel der SPD daher schon in den Sondierungen relativ viel bieten. Denn die Grünen wird sie aus SPD-Sicht kaum als Druckmittel einsetzen können - sie sehen sich wegen der Neuaufstellung derzeit selbst nicht als regierungsfähig. Stimmt der Konvent Verhandlungen zu, könnte ein Koalitionsvertrag ausgehandelt werden, etwa einen Monat lang.

Aber dann käme das Novum eines Mitgliedervotums. Die SPD hätte gerne bis zum Parteitag Mitte November in Leipzig Klarheit. "Wir haben keine Angst, dass es Schwarz-Grün gibt (. . .) und wir haben auch keine Sorge, in die Regierung zu gehen, wenn die Inhalte stimmen. Und wir haben auch keine Angst vor Neuwahlen", so Gabriel. Er könnte Vizekanzler werden. Aber auch böse scheitern, sollten die Mitglieder Nein sagen. Dann läge die SPD im Jubiläumsjahr am Boden.

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