"Die Selbstständigkeit ist keine Selbstverständlichkeit"

Der Landtag hat mich am 10. August zur Ministerpräsidentin des Saarlandes gewählt. Ich übernehme dieses Amt in einer Zeit, in der unser Bundesland - ebenso wie die Bundesrepublik insgesamt - vor großen Herausforderungen steht

 Die Minister der Jamaika-Koalition verfolgen auf der Regierungsbank des Landtags die Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (von links): Klaus Kessler, Monika Bachmann, Andreas Storm, Christoph Hartmann, Peter Jacoby, Simone Peter, Stephan Toscani und Georg Weisweiler. Foto: Becker&Bredel

Die Minister der Jamaika-Koalition verfolgen auf der Regierungsbank des Landtags die Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (von links): Klaus Kessler, Monika Bachmann, Andreas Storm, Christoph Hartmann, Peter Jacoby, Simone Peter, Stephan Toscani und Georg Weisweiler. Foto: Becker&Bredel

Der Landtag hat mich am 10. August zur Ministerpräsidentin des Saarlandes gewählt. Ich übernehme dieses Amt in einer Zeit, in der unser Bundesland - ebenso wie die Bundesrepublik insgesamt - vor großen Herausforderungen steht. Ausufernde Staatsverschuldung und Finanzkrisen im Euroraum, der Ausstieg aus der Atomkraft und der Umstieg auf erneuerbare Energieträger, die globalen Klimaveränderungen, die demografische Veränderung und eine Zunahme sozialer Unterschiede in unserer Gesellschaft - das alles sind jeweils für sich genommen bereits gewaltige Probleme. In ihrer Gleichzeitigkeit und ihrer wechselseitigen Beeinflussung stellen sie jedoch die Politik vor eine ganz neue Dimension von Verantwortung und Handlungsnotwendigkeit. Diese gegenwärtigen Krisen empfinden immer mehr Menschen als Ausdruck von Politikversagen. Wir alle müssen deshalb darauf achten, dass diese Enttäuschung über die vermeintliche Ohnmacht von Politik nicht zu einer fundamentalen Vertrauens- und Legitimationskrise der demokratischen Staaten und Gesellschaften führt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen deshalb heute mehr denn je den Mut, die Probleme offen anzusprechen und den Menschen auch die unangenehmen Wahrheiten zuzumuten. Wir brauchen einen politischen Diskurs, der wirklich um die beste Lösung ringt und sich nicht in abgenutzten Ritualen und Schaukämpfen unseres Politikbetriebes erschöpft. Solche Rituale verstehen die Menschen nicht, sie wollen sie nicht, und solche Rituale dienen auch nicht der Zukunft unseres Landes. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Diese müssen wir angehen, ernsthaft und sachlich. Und dort - wo es möglich ist - gemeinsam. (. . .)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundlage der Arbeit dieser Landesregierung ist und bleibt selbstverständlich der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2009. Aber für mich gibt es ein Thema, das die politische Agenda der nächsten Jahre in unserem Land mehr denn je beherrschen wird: Das ist die Frage, wie wir die Eigenständigkeit unseres Saarlandes sichern. (. . .)

Die Selbstständigkeit ist keine Selbstverständlichkeit. Sie wird dabei heute weniger von außen durch regelmäßig wiederkehrende Debatten um Länderneugliederungen in Frage gestellt, sondern vielmehr durch Entwicklungen von innen heraus. Unsere Schulden und die demografische Veränderung sind die größten Herausforderungen für unsere Selbstständigkeit. (. . .) Die Haushaltslage unseres Bundeslandes zu verbessern - dieser Aufgabe sahen sich alle saarländischen Landesregierungen verpflichtet. (. . .) Aber trotz dieser massiven Anstrengungen müssen wir heute feststellen: Wir haben das Ziel der Haushaltskonsolidierung bisher nicht in dem Maße erreicht, wie wir das angestrebt haben. Das liegt vor allem daran, dass wir die Auswirkungen weltpolitischer und weltwirtschaftlicher Krisen auch hier vor Ort im Saarland immer stärker zu spüren bekommen.

(. . .) Am Erfordernis des Sparens wird also auch in den nächsten Jahren - und zwar mit oder ohne Schuldenbremse - für keine Landesregierung ein Weg vorbei führen. (. . .) Natürlich werden wir durch Sparen alleine keine Zukunft sichern. Deshalb werden wir gezielt in Projekte investieren, die das Land zukunftssicher machen. Investitionen in Bildung, in Familien, in Wissenschaft und Forschung bringen unser Land voran. (. . .) Dazu zählt auch die Vollendung der Museumslandschaft in Saarbrücken durch den Vierten Pavillon. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich spreche an dieser Stelle den Vierten Pavillon sehr bewusst an. Bewusst, weil viele Menschen im Land verärgert und enttäuscht sind über die massive Kostenüberschreitung. Sie sind zu Recht verärgert, und ich kann dies sehr gut nachvollziehen. Es ist ohne Zweifel großer Schaden materiell, aber auch durch Vertrauensverlust entstanden. Davor kann und wird niemand die Augen verschließen. (. . .) Wir brauchen deshalb schnellstmöglich Klarheit über die gesamten Kosten. Dazu hat die Stiftung einen unabhängigen Kontroller mit der Prüfung beauftragt. Dazu wird der Rechnungshof, was ich sehr begrüße, ebenfalls einen eigenen Bericht vorlegen. Die Ergebnisse beider Beichte werden wir in aller Offenheit und Transparenz vorlegen. Auf der Grundlage dieser Berichte werden wir alle Fehler, die gemacht wurden, lückenlos und umfassend aufklären und mögliche und notwendige Konsequenzen ziehen. (. . .)

Das Saarland ist und bleibt ein Industrieland. Als Ministerpräsidentin werde ich der Saarwirtschaft ein verlässlicher Partner sein und gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung weiterhin ein aktiver Schrittmacher des wirtschaftlichen Strukturwandels.(. . .) Angesichts der Haushaltslage müssen jeder Euro und jeder Cent kritisch hinterfragt werden. Für die Hochschulen und die externen Forschungsinstitute bedeutet dies, dass alle Bereiche daraufhin überprüft werden müssen, ob sie fortgeführt werden oder ob sie vielleicht verzichtbar sind. Entscheidend ist in erster Linie nicht, was wünschenswert ist, sondern welche wissenschaftliche Infrastruktur wir als Bundesland, als Wirtschaftsstandort und als Forschungsstandort für unsere weitere Entwicklung brauchen. (. . .) Zur Attraktivität einer Region gehört auch, dass die Menschen sicher leben können. Um diese Sicherheit zu gewährleisten, werden wir alles tun, um auch mit knappen Mitteln die Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft unserer Polizei aufrecht zu erhalten. (. . .) Ich verschweige nicht, dass es zu einem Personalabbau kommen wird. Zwar werden wir einen verlässlichen Einstellungskorridor sicherstellen, dieser wird allerdings nicht alle Beamten ersetzen können, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand treten. (. . .)

Liebe Saarländerinnen und Saarländer, was vor uns liegt, ist keine einfache Aufgabe. Das ist aber auch nichts Neues für das Saarland. Wir haben zwei Mal um unsere Selbstbestimmung gerungen. Erfolgreich. Wir haben die Strukturkrise bewältigt. Erfolgreich. Wir können auch diese Herausforderungen meistern. Erfolgreich, wenn alle mit anpacken. Für unser Land." "Wir brauchen heute mehr denn je den Mut, den Menschen die unangenehmen Wahrheiten zuzumuten."

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