Die Sehnsucht nach einem "Führer"

Berlin. Erst die Thesen von Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, dann der Islam-Satz von Bundespräsident Christian Wulff, zuletzt Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer zu Integrationsmängeln: Deutschland diskutiert über die Muslime und ihre Eingliederung in die Gesellschaft. Und jetzt zeigt eine neue Studie, dass die Deutschen ausländerfeindlicher geworden sind

Berlin. Erst die Thesen von Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, dann der Islam-Satz von Bundespräsident Christian Wulff, zuletzt Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer zu Integrationsmängeln: Deutschland diskutiert über die Muslime und ihre Eingliederung in die Gesellschaft. Und jetzt zeigt eine neue Studie, dass die Deutschen ausländerfeindlicher geworden sind.Knapp ein Viertel der Deutschen (24,7 Prozent) gilt in der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) als ausländerfeindlich. Vor zwei Jahren waren es nur 22 Prozent. Etwa ein Drittel sieht die Bundesrepublik "durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet". In Ostdeutschland ist die Zustimmung zu der Aussage mit rund 43 Prozent deutlich höher als im Westen mit knapp 34 Prozent.Auch 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gibt es die Sehnsucht nach einem starken "Führer". Rund 13 Prozent wünschen sich einen Führer, "der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert". Die Forscher vermuten als einen Grund für die Zunahme rechtsextremistischer Einstellungen, dass die Wirtschaftskrise die Unterstützung der Demokratie schwinden lässt. Ein weiteres Phänomen sei die hohe Zustimmung zu islamfeindlichen Aussagen. Die Wissenschaftler sagen: "Wir erleben eine dramatische Trendwende." Vor allem chauvinistische und fremdenfeindliche Einstellungen hätten seit 2002 zugenommen. Die Frage ist: Hat es einen Rechtsruck gegeben? Frühere Studien der Leipziger Forscher zeigen, dass entsprechende Einstellungen zugenommen haben. Die Werte für Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und die Befürwortung einer Diktatur lagen jedoch 2002 und 2004 noch höher. Kein neues Phänomen, aber wohl eine Verschiebung.Die Bundesregierung hält die Ergebnisse in einer ersten Reaktion für "ziemlich erschreckend". Als mögliches Rezept gegen Rechtsextremismus sieht sie die Integration. Ausländer sollen nach Aussage von Regierungssprecher Steffen Seibert möglichst schnell in die Wertevorstellungen, die Gesellschaft, den Arbeitsmarkt und die Sprache in Deutschland hineinfinden. "Je besser uns das gelingt, desto mehr werden wir allen, die rechtsextreme oder noch schlimmere Gedanken haben, den Boden entziehen." An dem Tag, als die Rechtsextremismus-Studie in Berlin vorgestellt wird, schwappt die Debatte über Zuwanderung auf die Schulhöfe. Sowohl die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), als auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprachen sich dafür aus, Deutsch als Sprache auf Pausenhöfen verpflichtend vorzuschreiben. Mehr Deutsch als Integrationsmittel? Einige Schulen praktizieren Deutsch als Pausensprache über Selbstverpflichtung. "Wir können sicherlich hoffen, dass das auch an anderen Schulen Schule macht", sagt Seibert. dpa "Wir erleben eine dramatische Trendwende."Studie der Friedrich-Ebert-Stiftungzum Rechtsextremismus

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