Die Rückkehr der Passkontrollen

Brüssel/Luxemburg. Europas Reisefreiheit bekommt ein neues Gesicht: Bis zu zwei Jahre können die Mitgliedstaaten künftig wieder an den Grenzen Personenkontrollen durchführen. Und wer von Athen oder Rom kommend in Frankfurt oder Paris landet, sollte mehr Zeit mitbringen. Denn auch an den Flughäfen drohen wieder lange Schlangen vor den Schaltern der Grenzpolizei

Brüssel/Luxemburg. Europas Reisefreiheit bekommt ein neues Gesicht: Bis zu zwei Jahre können die Mitgliedstaaten künftig wieder an den Grenzen Personenkontrollen durchführen. Und wer von Athen oder Rom kommend in Frankfurt oder Paris landet, sollte mehr Zeit mitbringen. Denn auch an den Flughäfen drohen wieder lange Schlangen vor den Schaltern der Grenzpolizei. Nach jahrelangem Streit haben sich die Innenminister der EU gestern auf diese Regelung geeinigt, die ausdrücklich nur als "Notfall-Mechanismus" bezeichnet wird. "Es ist eine falsche Sichtweise, wenn man glaubt, dass das weniger Europa ist", betonte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). "Im Gegenteil, es ist mehr Europa."Es wird schwer werden, dies den Bürgern zu erklären. Zwar hatten Deutschland und Frankreich, auf deren Vorschlag die Neuregelung im Wesentlichen zurückgeht, immer von "zeitlich befristeten Kontrollen" gesprochen. Dass damit aber ein Zeitraum von "bis zu zwei Jahren" (zunächst sechs Monate, die drei Mal verlängert werden können) gemeint war, verschwieg man. Bisher dürfen die Schlagbäume lediglich für höchstens 30 Tage wieder heruntergelassen werden, beispielsweise um einreisende Störer von Großveranstaltungen fernzuhalten. Polen macht von diesem Recht gerade Gebrauch, um eine reibungslose Fußball-EM zu ermöglichen.

Der Beschluss bedeutet eine Niederlage für EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. "Wir werden das nicht akzeptieren", kommentierte sie die Entscheidung. Sie wollte die Genehmigung für neue Personenkontrollen nach Brüssel ziehen. Nun "wird die Kommission eine starke Rolle haben, wird ein Gutachten abgeben, einen Vorschlag präsentieren, der Rat wird sich damit auseinandersetzen, aber das letzte Entscheidungsrecht bleibt bei den Mitgliedstaaten", erklärte Friedrich. "Denn wir sind für die Sicherheit unserer Bürger verantwortlich."

Das neue Instrument soll vor allem zum Zug kommen, wenn sich herausstellt, dass ein Mitgliedstaat mit der Kontrolle der Außengrenzen nicht fertig wird und massenhaft illegale Einwanderung befürchtet. Offiziell nennt sich das "ultima ratio", ein letztes Mittel, wenn - so Friedrich - "alle Stricke reißen". Dass diese Situation realistisch ist, betonte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. "Hätten wir den Mechanismus vorher gehabt, würde es vielleicht die Situation, die in Griechenland besteht, nicht geben." Athen berichtet von bis zu 150 000 Illegalen pro Jahr, die über die türkisch-griechische Grenze kommen und sich dann über alle Mitgliedstaaten verteilen.

Noch ist die Kehrtwende in Sachen Reisefreiheit allerdings nicht endgültig beschlossen. Das Europäische Parlament muss den Notfall-Mechanismus erst noch billigen. Und dort gibt es erhebliche Widerstände.Foto: dpa

Meinung

Strafe für die Bürger

Von Detlef DrewesMit Reisefreiheit hat das ziemlich wenig zu tun. Die Vorstellung, dass künftig die Schlagbäume wieder bis zu zwei Jahren heruntergelassen werden, ist einfach nur erschreckend. Zumal die Innenpolitiker das Problem an der falschen Stelle anpacken. Die richtige Antwort auf die in der Tat immer wieder anschwellende Zahl illegaler Einwanderer wäre eine effektivere Sicherung der Grenzen gewesen, vor allem aber ein gemeinsames Asylrecht. Anstatt unberechtigten Zuwanderern also die Rote Karte zu zeigen, werden nunmehr die eigenen Bürger bestraft, die wieder vor missgelaunten Grenzpolizisten ihre Ausweise herzeigen müssen.

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