Die Reue des Medien-ZarenHauptfiguren im britischen Abhörskandal

London. "Das ist der Tag der größten Demut in meinem Leben", sagte Rupert Murdoch zu Beginn der Anhörung eines Parlamentsausschusses zu der Abhöraffäre bei seiner "News of the World". Prophetische Worte, denn kurz vor dem Ende des harten Verhörs wurde der mächtige Medienmogul wie ein Clown bei einem Kindergeburtstag mit einem Teller voll Rasierschaum beworfen

London. "Das ist der Tag der größten Demut in meinem Leben", sagte Rupert Murdoch zu Beginn der Anhörung eines Parlamentsausschusses zu der Abhöraffäre bei seiner "News of the World". Prophetische Worte, denn kurz vor dem Ende des harten Verhörs wurde der mächtige Medienmogul wie ein Clown bei einem Kindergeburtstag mit einem Teller voll Rasierschaum beworfen. Murdochs junge chinesische Frau Wendy, die hinter ihm saß, schlug auf den Angreifer ein, bevor dieser von der Polizei überwältigt wurde.Der Zwischenfall schien den 80-jährigen Herrscher über das internationale Medien-Imperium belebt zu haben. Einsilbig und unkonzentriert wich er zuvor den bohrenden Fragen der Parlamentarier aus und überließ das Reden seinem Sohn James, der den europäischen und asiatischen Unternehmensbereich von Murdochs "Newscorp" leitet. Die Energie und Härte, mit der er sein weltumspannendes Netz aufgebaut hatte, spiegelte sich bei dem alten Mann nun lediglich in lauten Handkantenschlägen auf den Tisch wider, mit denen er seine Antworten akzentuierte. Nach einer Unterbrechung der Sitzung wegen der Schaum-Attacke wirkte Rupert Murdoch wie ausgewechselt und verlas mit fester Stimme eine Erklärung. Darin entschuldigte er sich zutiefst für die Freveltaten seines Massenblattes. "Ich war absolut geschockt, abgestoßen und zutiefst beschämt", sagte Rupert Murdoch über den Augenblick vor einigen Wochen, als er erfuhr, dass die "News of the World" die Mailbox eines entführten Schulmädchens abhörte, das später ermordet wurde.

Von der langen Geschichte des Abhörens von tausenden von Betroffenen habe er nichts gewusst, behauptete der Konzernherr. Er könne dafür auch nicht die Verantwortung übernehmen. Mitarbeiter hätten sein Vertrauen und das Vertrauen der Leser missbraucht. Sein Sohn James gab an, dass sich ihm das Ausmaß der Telefonhackerei erst nach und nach erschlossen habe. Deshalb habe er den parlamentarischen Ausschuss bei früheren Anhörungen auch keineswegs belogen, als er behauptete, die Übergriffe seien nur von einzelnen Journalisten ohne Wissen der Unternehmensleitung geschehen. Doch viele der bohrenden Fragen der Parlamentarier konnte James Murdoch nicht schlüssig beantworten - so etwa, ob die Murdoch-Gruppe an Mitarbeiter und an Opfer der Abhöraffäre hohe Abfindungen zahlte, um damit ihr Schweigen zu erkaufen. Diese Frage umging James Murdoch mit dem Hinweis, dass er darüber während einer laufenden polizeilichen Ermittlung keine Auskünfte geben könne.

Sein Vater gab zu, dass das mittlerweile eingestellte größte britische Massenblatt "News of the World" nur ein kleiner Fisch in seinem Medienteich gewesen sei. Er leite schließlich ein weltumspannendes Unternehmen mit 53 000 Mitarbeitern. Mit den Chefredakteuren seiner britischen Zeitungen hätte er nur selten gesprochen, und der Abhörskandal sei nie ein Thema gewesen.

Für Heiterkeit sorgte sein Eingeständnis, dass er den britischen Premierminister weitaus häufiger getroffen hätte als seine Chefredakteure. Bei den Besuchen in der Downing Street hätte er allerdings immer nur die Hintertür benutzen dürfen, damit die Konkurrenzzeitungen nicht argwöhnisch wurden.

Rupert Murdoch gelobte in seiner Schlusserklärung, in Zukunft mehr auf den journalistischen Ethos seiner Zeitungen zu achten. Den Parlamentariern hielt er jedoch maliziös unter die Nase, dass ihre skandalöse Betrugsaffäre um Spesengelder erst dadurch ruchbar wurde, dass der "Telegraph" dies dank des Ankaufs gestohlener Informationen enthüllen konnte. Wiederholt gefragt, ob es wegen seines Mangels an Kontrolle nicht Zeit sei, den Chefsessel zu räumen, antwortete Rupert Murdoch brüsk: "Ich bin die beste Person, um dieses Unternehmen wieder aufzuräumen". Rebekah Brooks, ehemalige Chefredakteurin der "News of the World" und Generalbevollmächtigte von Murdochs britischem Medienbereich, hielt ihrem alten Chef auch nach ihrem Rücktritt die Treue und behauptete, dass das Unternehmen energisch und zielbewusst mit der Krise umgegangen sei. Bestechungsgelder für Polizisten habe sie nie gebilligt.Hier einige Schlüsselfiguren im Skandal um die Boulevardzeitung "News of the World", neben Rupert Murdoch und seinem Sohn James:

Ex-Chefredakteurin Rebekah Brooks (Foto: dpa) könnte mit ihren engen Kontakten zur Downing Street für Regierungschef David Cameron zur Belastung werden. Ebenso der Nachfolger von Brooks als Chefredakteur von "News of the World", Andy Coulson. Obwohl Coulson schon 2007 wegen des Skandals als Chefredakteur abtrat, machte ihn Cameron zum Kommunikationschef. Er musste im Januar gehen. Sean Hoare, der am Montag gestorbene Ex-Journalist, hat Coulson als Erster schwer belastet. Der "New York Times" hatte der "News of the World"-Reporter erzählt, wie Coulson ihn animierte, "schwarze Künste" anzuwenden. Sir Paul Stephenson (Foto: dpa) musste als Chef von Scotland Yard wegen seiner Nähe zu dem früheren "News-of-the-World"-Reporter Neil Wallis, den er als PR-Strategen anheuerte, zurücktreten . Ebenso John Yates, der Mann hinter Sephenson, der 2009 dafür verantwortlich war, dass eine Untersuchung des wieder aufgeflammten Abhörskandals unterblieb. dpa

"Das ist der Tag der größten Demut in meinem Leben."

Medienzar Rupert Murdoch

Meinung

Ein hässlicher Sensationsstoff

Von SZ-MitarbeiterHendrik Bebber

Es ist ein Stoff, von dem das nun in Schimpf und Schande untergegangene britische Sensationsblatt "News of the World" nur hätte träumen können: Ein in einen unfassbaren Abhörskandal verwickelter 80-jähriger Medienmogul zieht Scotland-Yard-Größen, Journalisten und Politiker mit in den Abgrund. Gedeihen konnte ein solcher Skandal in einem Klima von Furcht und Günstlingswirtschaft. Doch ist nicht zuletzt auch der durch Sensations- und Sex-Geschichten kultivierte Geschmack einer Leserschaft, bei der Skandalblätter reißenden Absatz finden, dafür verantwortlich. Könnte nun eine Reform des Mediengesetzes solchen Auswüchsen einen Riegel vorschieben? Vermutlich nicht. Ein neues Gesetz würde eher die Gefahr bergen, dass Politiker darin die Pressefreiheit einschränken - unter der sie selbst schon gelitten haben. Und damit auch die Freiheit jener integren Journalisten, die den Murdoch-Sumpf überhaupt aufgedeckt haben.

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