Die Paralympics auf Rekordkurs

Als 1948 in London die ersten Olympischen Spiele nach dem Zweiten Weltkrieg ausgerichtet wurden, muss das für die vielen tausend Kriegsversehrten wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Höher, schneller, weiter? Nicht mehr mit ihnen

Als 1948 in London die ersten Olympischen Spiele nach dem Zweiten Weltkrieg ausgerichtet wurden, muss das für die vielen tausend Kriegsversehrten wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Höher, schneller, weiter? Nicht mehr mit ihnen. Im englischen Aylesbury wollte der vor dem Krieg aus Deutschland emigrierte Neurologe Sir Ludwig Guttmann den Mutlosen ihren Lebenswillen zurückgeben und initiierte die "Stoke Mandeville Games": 16 Querschnittsgelähmte traten im Bogenschießen gegeneinander an. Ob Guttmann sich damals wohl vorstellen konnte, welche Kreise seine kleine Parallelveranstaltung einmal ziehen würde?64 Jahre später wetteifern mehr als 4200 Athleten aus 162 Nationen in 20 Sportarten in den 503 Medaillenentscheidungen. Längst beschränkt sich das Teilnehmerfeld nicht mehr nur auf Kriegsveteranen. Die Sportler treten auch nicht mehr auf einem Feld in der englischen Provinz gegeneinander an, sondern größtenteils in denselben Wettkampfstätten wie die Olympia-Teilnehmer wenige Wochen zuvor.

Und das zurecht. Kurz vor der heutigen Eröffnung sind bereits 1,8 Millionen der zwei Millionen Eintrittskarten verkauft - erstmals in der paralympischen Geschichte könnten die Spiele ausverkauft sein. "Behindertensport rückt in die Mitte der Gesellschaft, das ist eine großartige Entwicklung", freut sich der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), Friedhelm Julius Beucher.

Mit dazu beigetragen hat im großen Maßstab die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Was vor zwölf Jahren in Sydney noch als Experiment mit knapp 16 Stunden Sendezeit begonnen hatte, entwickelte sich in der Folge rasant: In Peking waren es 30 Stunden, in London werden es sogar über 65 Stunden sein. Und auch in der Presse ist das Interesse enorm - insgesamt werden mehr als 6500 Journalisten von den Spielen berichten, davon 180 aus Deutschland.

Dem DBS-Präsidenten ist das aber noch nicht genug: "Ich erlebe die ständig steigende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und freue mich darüber. Aber wenn man herumfragt, hört man immer wieder: 'Die könnten noch viel mehr zeigen.' Das ist für uns ein Zeichen, dass in der Berichterstattung noch viel Luft nach oben ist."

Ein größerer Fokus in der Öffentlichkeit bedeutet automatisch auch eine höhere Attraktivität für Sponsoren - und mit Blick auf die finanzielle Situation der Athleten wünscht sich Beucher hier noch mehr Bewegung: "Im großen Vergleich sind das immer noch Kleckerbeträge." Ebenso wie die Prämien, um die derzeit gestritten wird: Zwar wurde die Belohnung für eine Goldmedaille von 4500 Euro inzwischen auf 7500 Euro aufgestockt, vollends gerecht finden das dennoch die wenigsten der Sportler.

Aber wer weiß schon, welche Kreise die einst kleine Parallelveranstaltung in den nächsten 64 Jahren ziehen wird? dapd

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