Dreikönigstreffen Die neue FDP feiert sich und das Jamaika-Aus

Stuttgart · Die Liberalen setzen bei ihrem Dreikönigstreffen auf Geschlossenheit.

 Große FDP: Parteichef Christian Lindner beschwor beim Dreikönigstreffen das neue liberale Selbstbewusstsein – auch nach dem Jamaika-Aus.

Große FDP: Parteichef Christian Lindner beschwor beim Dreikönigstreffen das neue liberale Selbstbewusstsein – auch nach dem Jamaika-Aus.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

So weit ist es nun doch noch nicht, dass sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki schützend vor seinen erklärten Freund, Parteichef Christian Lindner, werfen muss. „Wer Christian Lindner stürzen wollte, müsste erst mich wegräumen“, sagte er dem „Focus“. Der Treueschwur zwischen beiden gelte auch die nächsten vier Jahre: „Weil wir uns beide versprochen haben, die FDP bundesweit dauerhaft über zehn Prozent zu etablieren.“ Ob er mit diesem „Heldenmut“ seinem „Freund“ einen Gefallen tut, ist zweifelhaft. Kubicki ist wohl der einzige in Leitungsfunktion, den Lindner nicht immer einfangen kann.

Nein, Christian Lindner muss nach diesem fulminanten Wahljahr 2017 nun wirklich nicht fürchten, dass ihn jemand – wie früher in der FDP nicht unüblich – politisch meucheln wollte. Die FDP steht zum traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart so gut da wie seit zehn Jahren nicht mehr. Selbst im Dezember, dem Monat nach dem Jamaika-Aus, seien nochmals 1200 Menschen in die FDP eingetreten, erzählt Lindner auf der Bühne der Stuttgarter Staatsoper. Man zähle jetzt gut 63 000 Mitglieder und sei kurz davor, die Grünen zu überholen.

Dass es mit denen und der CDU nicht geklappt hat, verteidigt Lindner. Zum Abbruch der Jamaika-Verhandlungen sagt der Parteichef: „Wir haben aus staatspolitischer Verantwortung die Oppositionsrolle gewählt“. Und weiter: „Unser Nein war ein konstruktives Nein“, eine „Investition in unsere Glaubwürdigkeit“. Es gebe in der Demokratie nicht nur die „Pflicht zum Kompromiss“, sondern auch die „Pflicht zur Kontroverse“. Er erwarte nun eine Neuauflage der großen Koalition. Und betont wieder das neue Selbstbewusstsein der FDP, die im September mit 10,7 Prozent in den Bundestag zurückgekehrt war. „Wenn wir eines gewiss nicht mehr sind, dann ist es ein Steigbügelhalter für andere.“ Die Regierungsbeteiligung der FDP etwa in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zeige, dass die Liberalen bereit seien zur Übernahme von Verantwortung, „aber wir sind auch eine eigenständige Gestaltungspartei“.

Eines der von Lindner zitierten Neumitglieder ist Fabian Lober aus dem hohenlohischen Künzelsau. Der 31-Jährige hat einen mittelständischen, sieben Mann großen Betrieb in der Kälte- und Klimabranche und ist vor einem halben Jahr – in der heißen Wahlkampfphase – in die FDP eingetreten, weil ihm „die junge Wirtschaft“, die innovativen jungen Unternehmen zu kurz kämen. Lober fühlte sich offenbar von Lindner und seiner jungen FDP angesprochen. „Eine neue Generation Deutschland“, prangt am Dreikönigstag auf der Frontwand in der Stuttgarter Staatsoper. Nur eine neue, innovative Politik und Wirtschaft sei in der Lage, den Wohlstand des Landes zu erhalten, warnt Lindner. Und FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagt beschwörend, die Menschen bräuchten eine neue Lebensperspektive.

Das scheint nun doch ein bisschen zu viel des Spiels mit Zukunfts­ängsten vieler Älterer und ihren Sorgen vor einem sozialen Abstieg. Schließlich ist die FDP auch nicht gerade die jüngste Partei. Lindner beeilt sich denn auch klarzustellen, dass nicht das Lebensalter eines Menschen ausschlaggebend sei, sondern das Alter – beziehungsweise die Frische – seiner Ideen und Konzepte.

Spätestens hier kommt für Lindner die Präsidialkanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Spiel. Ihre „Ambitionslosigkeit“ lähme das Land regelrecht – im Gegensatz zum Kampfgeist und Reformwillen eines Emmanuel Macron in Frankreich. Mit Genugtuung dürfte Lindner derzeit beobachten, wie nervös man in der CDU versucht, dass es doch noch mit der SPD klappt, um eine Minderheitsregierung zu vermeiden. Denn wenn es nicht klappen sollte mit der SPD, sitzt Merkel auf einem wackligen Stuhl. Und Lindner rüttelt gerne noch ein bisschen mehr daran.

Doch vorerst beginnt für die FDP die Oppositionsarbeit. Hier wird sich etwa noch zeigen, wie sich der Umgang mit einer AfD gestaltet, die drittstärkste Kraft im Parlament ist. Seit drei Jahren lotet Lindner schon aus, wie er mit der AfD umgehen soll: ignorieren, attackieren, abgrenzen? Auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Herbst hat er sich wohl entschlossen, die FDP scharf gegen die Rechtskonservativen abzugrenzen – aber ein Türchen offenzuhalten für deren Protestwähler, von denen ein Teil zur FDP zurückkehren könnte.

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