Die Nato bietet Moskau die Stirn

Brüssel · Die Nato legt die Zusammenarbeit mit Russland auf Eis, rückt aber dennoch nach Osten vor – und sie wird es bei der Luftüberwachung nicht belassen. Das beschlossen die 28 Außenminister der Allianz gestern in Brüssel.

Neuerdings wird wieder gerechnet. 450 Interkontinentalraketen auf amerikanischer Seite, 356 auf russischer. 1,492 Millionen Soldaten hat der Westen, 845 000 Moskau. 2785 Kampfpanzer der Nato stehen 2750 russischen gegenüber. Und so weiter. Kein guter Auftakt für ein Nato-Treffen der Außenminister.

Das Bündnis ist gespalten zwischen härteren Schritten und entwaffnender Diplomatie. Gestern hat man sich jedoch für einen ersten Warnschuss entschieden: Die Nato legt die militärische Zusammenarbeit mit Russland auf Eis und rückt zugleich nach Osten vor. Bei der Luftüberwachung wird es die Allianz dabei nicht belassen. Das beschlossen die 28 Außenminister des Bündnisses gestern in Brüssel.

Die "illegale und völkerrechtswidrige Annektierung" der zur Ukraine gehörenden Krim könne "nicht hingenommen" werden, heißt es in dem Beschluss. Lediglich der Nato-Russland-Rat soll weitergeführt werden, um den erwünschten Dialog mit Moskau zu ermöglichen. Zugleich öffnet sich die Allianz für eine engere Zusammenarbeit mit Kiew. Das sei ein "Signal, um die Entschlossenheit zur Unterstützung der Ukraine" zu betonen. Man werde "einen geeigneten Beitrag" leisten, der das Land in die Lage versetzen soll, langfristig für seine eigene Sicherheit zu sorgen.

All das klingt drastischer, als es im Alltag zwischen Nato und Russland tatsächlich ist, denn bei den jetzt gestoppten Treffen handelt es sich im Wesentlichen um Abstimmungsgespräche auf den unteren Ebenen. Dennoch soll es eine Mahnung Richtung Moskau sein. Es dürfte nicht die einzige bleiben. Innerhalb des Bündnisses werden nämlich die Stimmen lauter, die eine "erkennbare Präsenz" in Osteuropa fordern. Zwar warnte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier seine Kolleginnen und Kollegen erneut vor "einer militärischen Eskalation". Doch die Bereitschaft der Allianz wächst, weitere Schritte zu beschließen. Den Boden dafür hatte gestern Vormittag Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bereitet: Er könne nicht bestätigen, stellte er "mit Bedauern" fest, dass Russland seine Truppen an den Grenzen zur Ukraine abzieht. Einen solchen - zumindest teilweisen - Rückzug hatte Präsident Wladimir Putin tags zuvor in einem Telefongespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zugesagt. Im Hauptquartier des Bündnisses hieß es gestern: "Davon ist nichts zu sehen."

Selbst Steinmeier wiederholte deshalb, was er in den vergangenen Wochen öfter festgestellt hatte: "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen." Deshalb sei es bei diesem Treffen in Brüssel darum gegangen, den "Bündnispartnern deutlich zu sagen: Wir stehen zu unseren Verpflichtungen". Noch im April sollen die Militärs unter Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove genauere Vorstellungen entwickeln.

Fest steht: Die Nato wird die Aufklärungsflüge über Rumänien und Polen mit Awacs-Maschinen verstärken - mit deutscher Unterstützung. Das Bündnis weitet die Aufklärung auf hoher See aus, auch da beteiligt sich die Bundesmarine. Über dem Baltikum sollen Kampfjets die Kontrolle der Luft übernehmen - die Luftwaffe stellt dafür sechs Jets zur Verfügung. Aber noch ist man sich im Bündnis uneinig, wie die weitere mittelfristige Ausrichtung nach Osten aussehen könnte. Polens Außenminister Radoslaw Sikorski sprach sich gestern in Brüssel für die dauerhafte Stationierung zweier schwerer Brigaden (das wären rund 10 000 Soldaten) in seinem Land aus.

Bereits am Montag hatten die Außenamtschefs des so genannten "Weimarer Dreiecks" - Polen, Deutschland und Frankreich - für eine Weiterentwicklung der militärischen Zusammenarbeit mit Ländern wie der Ukraine, Moldawien und Georgien gestimmt. In einem internen Papier des Bündnisses werden darüber hinaus noch Armenien und Aserbaidschan genannt. Bisher ist zwar nur die Rede von einer "Abstimmung der Verteidigungsfähigkeiten", was übersetzt so viel heißt wie: gemeinsame Ausrüstung, aufei nander abgestimmte Taktiken, gemeinsame Manöver. Dass eine solche Kooperation in unmittelbarer Nachbarschaft Russlands kaum auf die Gegenliebe Moskaus treffen dürfte, weiß die Nato. Aber nachdem sich Putin bisher auf keines der diplomatischen Angebote zur Deeskalation eingelassen hat, scheint die Allianz jetzt bereit, "unverkennbare Zeichen zu setzen".

Noch ist zwar von einer Erweiterung um diese Region derzeit noch keine Rede. Das allerdings könnte sich durchaus sehr schnell ändern. "Wir schließen da nichts aus", hieß es gestern aus Militär-Kreisen. Anfang September tagen die Staats- und Regierungschefs der Allianz in Wales. Sollte sich Russland bis dahin unbeweglich gezeigt haben, wird auch die Aufnahme der einstigen Vasallen Moskaus in die Nato kein Tabu mehr sein.

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Am RandeDas ukrainische Parlament hat gemeinsamen Manövern mit Nato- Truppen im Land auch in diesem Jahr zugestimmt. Für ein entsprechendes Gesetz votierten gestern 235 der 291 Abgeordneten. Damit könnten 2014 zusätzlich zu 2500 ukrainischen Soldaten ebenso viele ausländische Militärangehörige in der Ukaine eingesetzt werden. Bereits in den vergangenen Jahren hatten Soldaten aus Nato-Ländern in der Ukraine geübt. Außerdem stimmte das Parlament für die Entwaffnung aller paramilitärischen Gruppen, die sich im Zuge der proeuropäischen Proteste im Land gebildet hatten. dpa/afp

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