"Die Mehrheit der Deutschen ist gegen Atomenergie"

Frau Künast, als eine der Mütter des Atomausstiegs - treibt Schwarz-Gelb Sie auf die Palme? Künast: Was mich ärgert, ist, dass Schwarz-Gelb das ganze Land an der Nase herumführt. Man denkt an kurzfristige Gewinne für die Betreiber, aber nicht an die Gesundheit der Menschen und den Schutz der Umwelt

Frau Künast, als eine der Mütter des Atomausstiegs - treibt Schwarz-Gelb Sie auf die Palme?

Künast: Was mich ärgert, ist, dass Schwarz-Gelb das ganze Land an der Nase herumführt. Man denkt an kurzfristige Gewinne für die Betreiber, aber nicht an die Gesundheit der Menschen und den Schutz der Umwelt. Wir werden mit einer neuen Anti-AKW-Bewegung antworten, die qualitativ anders als früher sein wird. Und wir werden gewinnen.

Wie wollen Sie das denn machen?

Künast: Die Mehrheit der Menschen in diesem Land ist gegen die Atomenergie. Und die ablehnende Front hat sich im Vergleich zu früher verbreitert: Die Kirchen sind dabei, der Mittelstand, die Gewerkschaften, viele innovative Unternehmer und ihre Mitarbeiter sind inzwischen Gegner, weil sie wissen, dass die Atomenergie in ihren Bereichen Arbeitsplätze vernichtet. Genau da werden wir ansetzen. Laufzeitverlängerungen verhindern den nötigen Wettbewerb, wodurch vor allem der Mittelstand das Nachsehen hätte. Und dann werden wir sehen, ob die FDP weiter bei den vier großen Energieriesen auf dem Schoß sitzt und deren Profitinteressen vertritt. Längere Laufzeiten bedeuten eine Million Euro mehr Profit pro Tag und pro Atomkraftwerk.

Das heißt, Sie wollen eine Rückkehr in die 80er Jahre, als Hunderttausende gegen die Kernenergie auf die Straße gegangen sind?

Künast: Der Protest wird anders laufen. Da geht es nicht nur um Demonstrationen, sondern auch um eine neue Qualität der Maßnahmen. Eine Wechselkampagne zu Ökostromanbieter kann, wenn sie die Millionengrenze überschreitet, sehr spannend sein.

Rufen Sie zu einem Boykott der Atomstrom-Anbieter auf?

Künast: Ich sage den Menschen: Kauft Ökostrom, und zwar nicht von den vier großen Energieanbietern.

Schwarz-Gelb überlegt, ob die Betreiber nicht einen Teil ihres Gewinns durch längere Laufzeiten in die Förderung neuer Energien stecken müssen. Wie finden Sie das?

Künast: Das ist doch Unsinn. Atomkraftwerke und der Bau neuer Kohlekraftwerke passen nicht zu erneuerbaren Energien, mehr Effizienz und dezentraler Versorgung. Daran ändert auch nicht, dass irgendwelche Energiesparfonds eingerichtet werden sollen. Denn da geht es doch nur darum, dass sich die Großen mal wieder als Erste selbst bedienen können. Wenn die Struktur falsch ist, ist sie falsch. Was mich ärgert, ist, dass Schwarz-Gelb in der Frage der Atomkraft nicht konfrontativ vorgeht, sondern verschleiernd. Man redet von einem Energiemix, man sagt, man wolle die Potenziale der erneuerbaren Energien feststellen und dann entscheiden. Da wird nur Honig um den Bart geschmiert, mehr nicht. In Wahrheit will man selbst die ältesten der Atomkraftwerke nicht abschalten, die nicht einmal gegen einen Absturz eines Sportflugzeugs sicher sind.

Hintergrund

Die deutsche Anti-Atomkraft-Bewegung will ihre Proteste gegen den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke und den möglichen Bau eines Endlagers in Gorleben deutlich verschärfen. In den kommenden Monaten werde es nicht nur Aktionen an den Standorten der Reaktoren und von Atommülllagern geben, sondern auch an den "Zentralen der Energiekonzerne", heißt es in einer gestern verbreiteten Abschlusserklärung eines bundesweiten Treffens von Bürgerinitiativen.

Die Behauptung, Atomkraftwerke trügen zur Klimarettung bei, sei eine "durchschaubare Werbelüge", hieß es. ddp

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