Die Linken-Führung hat sich wieder lieb - auf dem Papier

Berlin. Zu Jahresbeginn hatte Linken-Chefin Gesine Lötzsch öffentlich über "Wege zum Kommunismus" fabuliert. Jetzt sucht die Partei nach Wegen aus ihrer eigenen Krise

 Die Linken-Chefs Ernst und Lötzsch unter sich. Foto: dpa

Die Linken-Chefs Ernst und Lötzsch unter sich. Foto: dpa

Berlin. Zu Jahresbeginn hatte Linken-Chefin Gesine Lötzsch öffentlich über "Wege zum Kommunismus" fabuliert. Jetzt sucht die Partei nach Wegen aus ihrer eigenen Krise. Zumindest auf dem Papier hat sich die Führung wieder lieb: In einer kurzfristig anberaumten Krisensitzung "verständigte" sich der Vorstand gestern darauf, die Debatte über das Spitzenpersonal "sofort einzustellen".Viel mehr als eine unverbindliche Plauderstunde ist allerdings aus der Beratungsrunde im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nicht geworden. In einer kurzen schriftlichen Erklärung, die anschließend verteilt wurde, räumt die Führung ein, dass die Partei "in einer schwierigen Situation" sei, dass es einen "breiten Diskussionsbedarf über unsere programmatische und strategische Aufstellung" gebe, und dass die Führunsgsquerelen "sofort" beendet werden müssten. Der Text wurde von denselben Leuten verfasst, die maßgeblich für das Chaos bei den Linken verantwortlich zeichnen.

Auslöser der Schlammschlacht war das schlechte Abschneiden der Partei bei den Landtagswahlen Ende März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Schnell entwickelte sich daraus eine Führungsdiskussion, die zuletzt in offenen Feindschaften und Rücktrittsforderungen gipfelte. Nur ein paar Kostproben: Nachdem sich Co-Parteichef Klaus Ernst über einen "harten Kern von Funktionären und Mandatsträgern" empört hatte, die sich nicht mit der gewählten Parteispitze abfinden wolle, giftete Schatzmeister Raju Sharma, entweder solle Ernst konkret werden, oder einfach "die Klappe halten". Prompt empfahl Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus dem Kassenwart, sein Amt niederzulegen. Dagegen befand auch Partei-Vize Halina Wawzyniak, Ernsts anonyme Anschuldigungen "vergiften das Klima". Bei anderer Gelegenheit hatte der Parteibildungsbeauftragte Ulrich Maurer den sächsischen Landesvorsitzenden Rico Gebhardt attackiert, weil der sich wie viele ostdeutsche Partei-Promis gegen Überlegungen für eine Rückkehr von Oskar Lafontaine an die Parteispitze ausgesprochen hatte.

Obgleich Lötzsch und Ernst die Lafontaine-Debatte mehrfach für beendet erklärt hatten, kochten sie andere Genossen munter weiter. Bundespartei-Vize Heinz Bierbaum machte ein mögliches Comeback des Saarländers von der Wahl in Bremen am 22. Mai abhängig: "Wenn sich die Situation noch mal zuspitzen sollte, könnte sich die Frage nach einer Übernahme des Parteivorsitzes durch Oskar Lafontaine neu stellen." Bei all diesen Querelen klang auch der Streit über den künftigen politischen Kurs durch: Während die Traditionalisten an der Fixierung auf die Armen und sozial Entrechteten festhalten wollen, versucht der Realo-Flügel, das programmatische Angebot zu erweitern.

Schatzmeister Sharma streute sich derweil Asche aufs Haupt. Er habe seine Worte gegen Ernst "bedauert", worauf Dreibus seine Rücktrittsforderung zurücknahm. Auch das wird ausdrücklich in der Erklärung vermerkt. Wie im Kindergarten. Ist die offene Feldschlacht bei den Linken damit nun aus der Welt? Wohl kaum. Ein Genosse charakterisierte das Krisentreffen gestern so: "Das war doch nur ein vorösterliches Eieranmalen."

Meinung

Kein Zentrum - nur Flügel

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

 Die Linken-Chefs Ernst und Lötzsch unter sich. Foto: dpa

Die Linken-Chefs Ernst und Lötzsch unter sich. Foto: dpa

Persönliche Anfeindungen, verbissene Richtungskämpfe, umstrittene Positionierung - bei der Linkspartei hakt es an allen Ecken und Enden. Und der Parteivorstand hat gestern allenfalls einen Burgfrieden zu Stande gebracht. Aber das Hauptproblem bleibt: Vier Jahre nach ihrer Gründung besteht die Linke praktisch immer noch aus mindestens zwei verschiedenen Parteien - einer ostdeutschen Volkspartei, der Ex-PDS, und einer westdeutschen Protestestbewegung, der ehemaligen WASG. Politische Flügel, wohin man schaut, aber kein Zentrum. Das führt unweigerlich zur Personalfrage. Das Modell der Doppelspitze ist gescheitert. Aber eine Integrationsfigur ist nicht Sicht. Bei einem Comeback von Oskar Lafontaine würden sich die Linken erst recht zerfleischen. Die zahlreichen Versuchballons der letzten Wochen und der harsche Gegenwind vor allem aus dem Osten waren nur ein kleiner Vorgeschmack.

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