Sozialismus und Antiamerikanismus Die Linke und das Reizthema Venezuela

Berlin · Die Welt des Sozialismus ist bekanntlich sehr überschaubar geworden. Und so gibt es auch nur noch sehr wenige Staaten, denen sich die Linkspartei solidarisch verbunden fühlt.

Venezuela gehört zweifellos dazu. Schon im Jahr 2005 hatte sich Sahra Wagenknecht, heute Fraktionschefin, damals Europa-Abgeordnete, fest an die Seite des seinerzeit regierenden Staatschefs Hugo Chavez gestellt und eine Petition „Hände weg von Venezuela“ initiiert. Demokratische Defizite in dem südamerikanischen Land taten dem Lobgesang keinen Abbruch. Im Jahr 2007 etwa verteidigte der damalige Linken-Chef Oskar Lafontaine gar die Schließung eines Fernsehsenders durch Chavez.

Nach dem Tod von Chavez im Jahr 2013 ging es in Venezuela auch wirtschaftlich steil abwärts. Von einer humanitären Krise ist heute die Rede. Immer wieder kommt es zu Massenprotesten. Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Chavez-Nachfolger Nicolas Maduro, dem massive Wahlmanipulationen vorgeworfen werden, und der Opposition hat sich der 35-jährige Abgeordnete Juan Guaidó zum Übergangspräsidenten ausgerufen. Und ganz in alter Manier brach in der Linken daraufhin ein Sturm der Entrüstung los. Das umso mehr, als US-Präsident Trump prompt mit Guaidó sympathisierte und der Antiamerikanismus in Teilen der Partei tief verwurzelt ist. „Die Bundesregierung ist gefordert, klar Stellung gegen diesen Putschversuch und die völkerrechtswidrigen Kriegsdrohungen zu beziehen“, erklärte etwa der stellvertretende Linken-Vorsitzende Ali Al-Dailami.

Auch die Bundestagsabgeordnete und enge Wagenknecht-Vertraute Heike Hänsel wetterte: Deutschland dürfe sich nicht zum „schweigenden Komplizen“ der „brandgefährlichen“ US-Politik machen. Schließlich gebe es eine „legitime Regierung“ unter Präsident Maduro, so Hänsel. Immerhin räumte sie noch ein, dass man Maduro angesichts der schweren Krise des Landes „nicht kritiklos“ begegnen müsse. Insbesondere der Realo-Flügel der Partei übt sich dann auch in dem Spagat, einerseits Verständnis für die Proteste gegen Maduro zu zeigen und andererseits das Verhalten der USA in dem Konflikt zu kritisieren. Der Außenpolitiker Stefan Liebig zum Beispiel nannte den Widerstand „absolut nachvollziehbar“. Aber die Anerkennung von Guaidó durch Trump „löst kein Problem“. Und der ehemalige Faktionschef Gregor Gysi sorgte sich angesichts der Eskalation um das Schicksal der venezolanischen Bevölkerung, gab aber gleichzeitig zu bedenken: „Es darf nicht sein, dass die USA wie in der Vergangenheit bestimmen, wer an die Spitze eines Staates rückt oder an ihr bleibt.“

Das Thema wird voraussichtlich in der nächsten regulären Fraktionssitzung der Linken am kommenden Dienstag in Berlin zur Sprache kommen. Größerer Streit ist dabei aber nicht zu erwarten. „Alle Strömungen gehen grob gesagt in die gleiche Richtung“, hieß es gestern in Fraktionskreisen.

In seinem Eid für die neue Amtszeit bis 2025 sagte Maduro übrigens: „Ich schwöre, den Sozialismus des 21. Jahrhunderts aufzubauen.“ Der umstrittene Präsident als Werbeträger für den Traum der Linken? Soweit mochte Parteichef Bernd Riexinger gestern doch nicht mehr gehen: „Nein, auf keinen Fall.“

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