Die Krux mit der Klage

Hannover/Berlin · Nun geht es los. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige ist da. Unsicherheiten bleiben. Sollen Eltern klagen, wenn ihre Kinder leer ausgehen? Was ist gut für die Kleinsten, was zumutbar für die Eltern?

Es gibt unangenehmere Termine für eine Politikerin. Rund 60 Kinder schmettern ein Begrüßungslied: "Ich kenn ein Haus, da wird gelacht und ziemlich laut gesungen . . ." Klar, dass Kristina Schröder (CDU) da strahlt. Dann drängen sich die Jungen und Mädchen um sie. Jedes Kind überreicht ihr eine andere Blume - als Symbol für die multikulturelle Kita Bonhoefferstraße in Hannover.

Die Bundesfamilienministerin ist in dieser Woche auf Kita-Tour durch Deutschland. Gut gelaunt, versteht sich. Denn in ihren Verantwortungsbereich fällt ja die Gesetzesänderung, dass Eltern seit heute einen verbrieften Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige haben. Schröder rät Eltern auch, von diesem Anspruch Gebrauch zu machen. Und zwar vor einem Verwaltungsgericht. Da sich Rechtstreitigkeiten aber durchaus lange hinziehen können, empfehlen Rechtsanwälte, ein Eilverfahren anzustrengen. Andere Anwälte halten es für sinnvoller, selbst initiativ zu werden, das Kind privat unterzubringen und die Mehrkosten via Schadenersatzverfahren von der Kommune einzufordern.

Das Gesetz ist aber durchaus vage formuliert. Das macht Klagen kompliziert. Beispielsweise besteht für Mütter und Väter ein Recht auf Frühförderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Manche Rechtsexperten bewerten das ausdrücklich als Entweder-Oder-Wahlrecht. Thomas Meysen vom Institut für Jugendhilfe und Familienrecht sagt dagegen, man müsse auch die jeweils andere Alternative akzeptieren, wenn nicht beide Varianten zur Verfügung stehen.

Der Bund geht davon aus, dass gut zwei Drittel aller Plätze in einer Tageseinrichtung und rund 30 Prozent bei Tagesmüttern oder -vätern sind. Die Unterschiede? In Kitas muss mindestens eine Kraft ausgebildete Erzieherin sein. Gruppengröße und Betreuer-Kind-Schlüssel legen die Länder fest. Tagesmütter können maximal fünf Kinder daheim aufnehmen oder kommen mitunter auch in den Haushalt der Eltern. Sie werben mit Flexibilität und Familienähnlichkeit. Tagesmütter müssen eine 160-Stunden-Qualifizierung absolvieren und brauchen vom Jugendamt eine Pflegeerlaubnis.

In der Regel werden Eltern Halbtagsplätze angeboten. Ein- und zweijährige Kinder haben darauf auch dann einen Anspruch, wenn deren Eltern nicht arbeiten gehen. Das Angebot soll dem Eltern-Bedarf entsprechen. Wem ein Halbtagsplatz nicht reicht, der muss seinen erhöhten Bedarf nachweisen. Ob dabei Schichtarbeiter auch ein Übernacht-Angebot beanspruchen können, muss möglicherweise individuell geklärt werden.

Umstritten ist auch, wieviel Fahrtzeit Eltern in Kauf nehmen müssen für einen Krippenplatz. Klar ist derzeit eigentlich nur: "Es gibt keinen Rechtsanspruch auf die nächstliegende Kita", erklärte Martin Luckas, Geschäftsführer des saarländischen Landkreistages, jüngst der Saarbrücker Zeitung. Das Verwaltungsgericht Köln entschied beispielsweise, die Kita dürfe nicht mehr als fünf Kilometer entfernt liegen. Andere Gerichte urteilten, eine halbe Stunde Fahrtzeit sei zumutbar. "Da müssen wir wohl das erste Urteil im Saarland abwarten", sagt Luckas.

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