Die Koalition der (noch) Willigen

Der Koalitionsgipfel hatte einen klaren Makel: Finanzminister Wolfgang Schäuble war nicht da, sondern weilte in Washington. Überall da, wo die Finanzierung von Vorhaben strittig ist und die Dinge mit ihm nicht vorbesprochen waren, konnte es deshalb nicht recht vorangehen. Woanders aber sehr wohl.

Zwei Euro mehr Kindergeld sollen Eltern ab dem kommenden Jahr erhalten. Auch der Freibetrag wird angehoben – um zehn Euro. Foto: Kusch/dpa

Zwei Euro mehr Kindergeld sollen Eltern ab dem kommenden Jahr erhalten. Auch der Freibetrag wird angehoben – um zehn Euro. Foto: Kusch/dpa

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Mini-Steuerreform: Die im Kanzleramt versammelten Partei- und Fraktionsvorsitzenden hakten nur noch ab, was am Mittwochabend Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und Schäuble in einem Vorgespräch schon geklärt hatten: Eine Mini-Steuerreform. Die Entlastung von 6,3 Milliarden Euro soll Anfang 2017 wirksam werden. Kern ist die Anhebung des Steuergrundfreibetrages, des sogenannten Existenzminimums, auf 9000 Euro im Jahr. Auch das Kindergeld erhöht sich dadurch, um zwei Euro. Die Anpassung an die steigenden Lebenshaltungskosten ist verfassungsrechtlich ohnehin vorgeschrieben, es ist also keine echte Steuerreform. Die SPD setzte noch eine Anhebung des Kinderzuschlages um zehn auf 170 Euro für Familien mit geringem Einkommen durch.

Unterhaltsvorschuss: Auch hier erzielte die SPD einen Erfolg. Der staatliche Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, deren Partner säumig sind, soll künftig nicht nur bis zum zwölften, sondern bis zum 18. Lebensjahr des Kindes bezahlt werden - und das länger als sechs Jahre, was bisher die Obergrenze war. Allerdings muss noch mit den Ländern wegen der Finanzierung gesprochen werden.

Entgeltgleichheit: Das Thema konnte man auch ohne Schäuble entscheiden - und man tat es. Firmen ab 200 Mitarbeitern müssen den Beschäftigten auf Verlangen künftig die gleiche Bezahlung für gleiche Posten von Frauen und Männern nachweisen und dokumentieren. Die Betriebsgröße war lange umstritten gewesen. Die CSU nahm nach dem Gipfel für sich in Anspruch, den Entwurf von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD ) "stark entbürokratisiert" zu haben. Die SPD sprach von einem "Durchbruch".

Renten: Hier ging es gleich um eine ganze Reihe von Themen und sehr viel Geld: Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus, die Betriebsrenten, die Erwerbsminderungsrente, die Mütterrente und die Ost-West-Rentenangleichung. Beschlossen wurde nur ein Fahrplan. Bis Ende Oktober will man bei einem neuen Gipfel entscheiden, welche der Vorhaben in der Legislaturperiode noch umgesetzt werden sollen, und welche nicht. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, Ziel sei es, die Rente so weit wie möglich aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten.

Innere Sicherheit: Das war ein CDU-Anliegen. Die Koalition kam überein, ein von Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) vorgelegtes Paket weitgehend umzusetzen. Dazu gehört nicht nur die Aufstockung der Bundespolizei und des BKA, sondern auch eine Strafverschärfung bei Einbruchdiebstahl. De Maizière und Justizminister Heiko Maas (SPD ) sollen nun einen Vorschlag machen. Ebenfalls soll die Behinderung oder der Angriff auf Polizisten und Rettungskräfte im Einsatz schärfer geahndet werden. Bei der Versorgung unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge sollen die Länder stärker über Art und Umfang der Leistungen bestimmen können - eine Forderung der CSU .

Majestätsbeleidigung: Nachdem die Staatsanwaltschaft Mainz die Anzeige des türkischen Präsidenten Erdogan gegen den Satiriker Jan Böhmermann eingestellt hat, steht einer Abschaffung des Paragrafen nichts mehr im Wege. Es soll noch die formale Einspruchsfrist abgewartet werden. Die Union will den Eindruck vermeiden, sie beschneide Erdogans Rechte durch eine nachträgliche Änderung des Paragrafen. Im Januar soll die Reform in den Bundestag.

Schulsanierung: Die SPD stellte ihre Forderung nach einem Schulmodernisierungsprogramm des Bundes vor. Neun Milliarden sollen 2017 bis 2021 dafür zur Verfügung stehen. Das so genannte Kooperationsverbot im Grundgesetz müsste allerdings zuvor aufgehoben werden, denn Bildung ist eigentlich Ländersache. Keine Entscheidung.

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