Die Kanzlerin geht auf Krücken ins neue Jahr

Berlin · Bei einem Sturz im Winterurlaub hat Angela Merkel einen Bruch im Beckenbereich erlitten. Sie will vorerst nur wenige Termine wahrnehmen und zu Hause arbeiten. Deutschland wird jetzt weitgehend im Liegen regiert.

Was den Urlaub angeht, hat Angela Merkel ihre Gewohnheiten. Im Sommer fährt sie zum Wandern nach Südtirol. Im Winter zum Langlauf in die Schweiz, in ein kleines Dorf im Engadin, in der Nähe des Promi-Ortes St. Moritz. Auch diesmal wurde Merkel in der Loipe gesichtet - mit lila Stirnband, grauem Fleece-Pullover und einem Paar Langlauf-Skier. Kannte man alles schon. Doch dieses Mal verlief der Urlaub dummerweise anders als geplant. Mit einiger Verspätung kam heraus, dass Merkel noch im alten Jahr so übel stürzte, dass sich die 59-Jährige nun drei Wochen schonen und viel liegen muss. Die Diagnose: "Infraktion im linken hinteren Beckenring". Muss nicht operiert werden, kann aber sehr schmerzhaft sein.

Wo genau auf den insgesamt 220 Loipenkilometern im Engadin sich der Sturz ereignete und wann genau, verriet Regierungssprecher Steffen Seibert gestern nicht. Nur so viel: "Sie ist hingefallen. Beim Langlauf. Wir gehen von niedriger Geschwindigkeit aus." Merkel war bei dem Missgeschick nicht allein, sondern hatte ihren Ehemann Joachim Sauer (64) und einige Sicherheitsleute bei sich.

Dass die Öffentlichkeit von dem Sturz so spät erfuhr, erklären Merkels Leute damit, dass die Kanzlerin ihre Verletzung nicht so ernst nahm. Sie war zunächst von einer Prellung ausgegangen, sodass sie ihre Neujahrsansprache pflichtgemäß am 30. Dezember im Kanzleramt aufzeichnete. Allerdings im Sitzen. Am Freitag darauf suchte sie dann doch lieber einen Arzt auf, der den Beinahe-Bruch feststellte. Die Ärzte empfehlen in solchen Fällen "sehr viel liegen". Die Leitende Oberärztin Julia Seifert vom Unfallkrankenhaus Berlin sagt: "Die Schmerzen nehmen mit der Zeit ab, aber im Zeitraum von zwei bis vier Wochen kann das sehr unangenehm sein."

Wegen der Verletzung werde sich die Kanzlerin "auf einige wenige Termine im Bundeskanzleramt und in Berlin konzentrieren", erklärte Seibert. Sie sei "handlungs- und kommunikationsfähig". Den Großteil der Arbeit will Merkel jetzt aus ihrer Wohnung an der Berliner Museumsinsel erledigen. Das dürfte ihr nicht schwerfallen - Merkel gilt als Meisterin im Regieren mit dem Handy. Die Kabinettssitzung am Mittwoch will sie trotzdem leiten. Dort wird man die CDU-Chefin dann mit Gehhilfe sehen. Käme es anders, müsste Vizekanzler Sigmar Gabriel einspringen.

Mehrere offizielle Termine wurden für die kommenden Tage gestrichen - wie der "Antrittsbesuch" bei Polens Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau, ein Gespräch mit dem neuen luxemburgischen Premierminister Xavier Bettel in Berlin und eine Vorstandsklausur der CDU. Alles Weitere soll Seiberts Angaben zufolge "von Woche zu Woche" entschieden werden.

Nur wenig weiß man über die frühere Krankengeschichte der Angela Merkel. Wie für andere Spitzenpolitiker gilt auch für die Kanzlerin: Sie ist immer gesund, und ist sie es nicht, erfährt das die Öffentlichkeit selten. Neben einem Meniskusriss 2011 ist ab und an mal eine schwere Erkältung bekannt geworden, wie die vor zwei Jahren, die Merkel ebenfalls beim Urlaub in der Schweiz niederstreckte und von der die Boulevardpresse Wind bekommen hatte.

Ansonsten sind Krankheiten ein Tabu, das bei Top-Politikern nur dann gebrochen wird, wenn gar nichts mehr geht und sich die Krankheit kaum mehr verheimlichen lässt. Wie bei Matthias Platzeck, der aus gesundheitlichen Gründen zwei Ämter niederlegen musste: 2006 das des SPD-Chefs und letztes Jahr das des Ministerpräsidenten von Brandenburg. Oder wie beim CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach, der vor einigen Monaten freimütig über seinen unheilbaren Krebs gesprochen hatte. Das brachte ihm viel Respekt ein. Bei der Bundestagswahl im Herbst holte Bosbach dann auch zum sechsten Mal in Folge ein Direktmandat.

Zum Thema:

HintergrundNach ihrem Skiunfall hat Kanzlerin Merkel ihren Kalender ausgedünnt. Diese Termine will sie aber wahrnehmen: 7. Januar: Empfang der Sternsinger. 8. Januar: erste Kabinettssitzung im neuen Jahr im Kanzleramt. 9. Januar: Teilnahme am Neujahrsempfang von Bundespräsident Gauck in Schloss Bellevue. 22./23. Januar: erste Klausur des schwarz-roten Kabinetts in Schloss Meseberg bei Berlin. 13./14. Februar: EU-Gipfel in Brüssel. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort