Die "Insel der Toten" kämpft ums Überleben
Gulf Breeze. Patricia Moreland (86) möchte nirgendwo anders leben als in ihrem Haus auf der Klippe über der Bucht von Pensacola. "Hier kriegt mich niemand weg", meint die rüstige Rentnerin, die seit 53 Jahren auf diesem Logenplatz mit Postkartenblick wohnt
Gulf Breeze. Patricia Moreland (86) möchte nirgendwo anders leben als in ihrem Haus auf der Klippe über der Bucht von Pensacola. "Hier kriegt mich niemand weg", meint die rüstige Rentnerin, die seit 53 Jahren auf diesem Logenplatz mit Postkartenblick wohnt. An guten Tagen steigt sie noch heute die steile Treppe im Garten herunter, die sie durch tropisches Grün an den einsamen Strand von "Deadmans Island" bringt. Die Halbinsel schützt auf der Südwestseite eine 10 000 Jahre alte Salzmarsch, in der Pelikane, Graureiher und Seeadler leben. Die andere Seite grenzt mit ihren puderweißen Sandstränden an die Bucht. Sorgenvoll schweift Patricias Blick Richtung Pensacola Pass. "Von dort kommt das Öl", deutet sie auf die nicht einmal einen Kilometer breite Öffnung hin zum Golf von Mexiko. "Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, dass die Teufelsbrühe da draußen dieses Juwel zerstören könnte."Diese Furcht teilt sie mit Heather Reed. "Wir wollen nicht noch mehr Särge hier herumtreiben sehen", spielt Heather bei einem Spaziergang über den Strand auf ein Ereignis an, das die Einwohner von Gulf Breeze schockte. Sturm und Wasser legten vor ein paar Jahren die Särge der Gelbfieber-Opfern frei, die im 18. Jahrhundert auf der Insel in Zwangsquarantäne lebten. Diesmal droht der Tod durch das Öl. "Wenn wir nichts tun, sterben die Austern und Marschen", meint Reed, die von der Kleinstadt zwischen Pensacola und der vorgelagerten Santa Rosa Insel den Auftrag erhielt, unabhängig von BP nach Wegen zu suchen, die Insel zu schützen. Über die Ölsperren, die BP verlegt hat, kann die Wissenschaftlerin nur lachen. "Völlig nutzlos" seien die Plastikbarrieren, die schon beim kleinsten Wellengang keine Wirkung mehr zeigten. Ganz zu schweigen von den Teerklumpen, Ölfladen und mit Lösungsmitteln vermischten Wolken, die unter den Sperren durchziehen.Stadtdirektor Edwin "Buz" Eddy kaufte auf Anraten der Meeresbiologin schwere Ölvorhänge, die am Boden des flachen Küstenwassers verankert werden können. Diese reichen bis zu zwei Meter tief und halten die giftige Brühe auf. BP warnte Gulf Breeze, eigene Wege zu beschreiten. Der Konzern fühle sich für die Reinigung dieser Sperren nicht zuständig. Egal wie effektiv sie auch sein mögen. Doch auf BP oder die Küstenwache zu warten, kommt für Eddy nicht in Frage. "Mal sehen, wer zuerst etwas tut", erklärt der Manager der 6000-Seelengemeinde. Sein Vertrauen in den Konzern? Langes Schweigen. Neben dem Kauf von 2000 Metern Ölvorhängen und der Beschäftigung Heather Reeds bindet Gulf Breeze Polizei und Feuerwehr mit ein. Drei Boote patrouillieren rund um die Uhr die Bucht von Pensacola. "Wir sind die Augen und Ohren unserer Gemeinde", erklärt Marco White, ein pensionierter Polizist. Vom Boot aus zeigt er auf Heuballen und Plastikplanen, mit denen die Eigentümer der Ufergrundstücke in Eigeninitiative versuchen, das Öl aufzusaugen. Doch wenn das schwere Öl kommt, hängt alles an BP. Bisher sind aber kaum Schiffe zu sehen. Lässt der Konzern die Bucht am Ende genauso mit Öl zulaufen wie die Traumstrände auf den vorgelagerten Inseln? Heather Reed hält das für völlig inakzeptabel. Sie will mit den Einwohnern von Gulf Breeze um jeden Meter Land auf Deadman's Island kämpfen. Patricia Moreland will ihr Haus auf der Klippe auf gar keinen Fall verlassen. Selbst wenn das Öl die Bucht erreicht. Mit dem Abendwind hat Moreland die Katastrophe schon jetzt in der Nase. Weht er aus Südwest, verschließt sie die Fenster. "Wenn wir nichts tun, sterben die Austern und Marschen."Meeresbiologin Heather Reed